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Aquila

Aquila

Titel: Aquila Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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dem Staub gemacht hätten – auch wenn Chandler sich nicht vorstellen konnte, wie jemand den braunen Wagen erkennen sollte.
    Über dem metallisch schimmernden Meer blieb der Himmel grau. Traurig verfärbte Schneereste bedeckten hier und da den schmutzig braunen Boden und das niedergedrückte, trotzig sprießende Gras. Im Juni oder im Oktober wäre es eine wundervolle Fahrt gewesen – jetzt musste sie einfach durchgestanden werden.
    Sie redeten nur sporadisch miteinander.
    »Was halten Sie von der Sache, nachdem Sie drüber
    geschlafen haben?«, fragte sie. Zu seiner großen Erleichterung sprach sie nicht mit dem Unterton einer anderweitig Überzeugten. »Ist das Dokument echt?«
    »Ich habe mich im Hinterkopf ständig damit beschäftigt.« Er 203
    warf ihr einen Blick zu. »Außerdem bin ich Ihrem Rat gefolgt und habe mich bemüht, das Ganze mit den Augen eines nüchternen Historikers zu sehen – nicht als George-Washington-Fan.«
    »Und?«
    »Ich habe versucht, mich in seine Lage zu versetzen. England war damals so allgegenwärtig, und nach menschlichem Ermessen hätte es eigentlich den Krieg gewinnen müssen … Die Amerikaner selbst waren ja so typisch englisch. Im Juni 1775
    ernannte der Kongress ein Dutzend Generäle, zusammen mit Washington, und der Einzige, der nicht als Offizier unter der Krone gedient hatte, war Nathanael Greene von Rhode Island.
    Die anderen – Richard Montgomery, Charles Lee und Horatio Gates – waren alle in England geboren und hatten in der britischen Armee Dienst getan.
    Washington war aufgrund seiner besonderen Lebensumstände Amerikaner durch und durch. Er hätte aber genauso gut auf der anderen Seite stehen können. Es gab da zum Beispiel den Fall von Beverley Robinson. Er war mit Washington in Virginia aufgewachsen, sein Vater diente unter der Krone als Gouverneur. Beverley stellte 1746 eine Truppe für den Feldzug gegen Kanada zusammen, und während sie in New York Station machten, begegnete er Susanna Philipse. Die beiden heirateten
    … Auf dem Rückweg, nach Braddocks Niederlage, traf George Susannas Schwester Mary, die Erbin der Familiengüter in Westchester und Dutchess County. Washington machte ihr den Hof, aber aus irgendeinem Grund wurde nichts daraus. Hätte er sie geheiratet, so wäre er hundertprozentig als Königstreuer in den Dienst der Krone getreten. Genau das hat nämlich Robinson getan.«
    Er hielt an einer Ampel in einem verlassenen Dorf. Die Bäume waren kahl, der Schnee schmolz und hinterließ Flecke auf den Gehsteigen. Polly hörte ihm gespannt zu. Auf dem Weg durch das stille Dorf bemerkte er einen Frühaufsteher, der seinen 204
    nassen, matschigen Rasen mit einem dürren Rechen bearbeitete.
    »Beverley Robinson brachte es nicht über sich, mit den Rebellen gemeinsame Sache zu machen«, fuhr Chandler fort, als hätte er den Mann gekannt und alles sei erst am Tag vorher passiert. »Also zog er sich auf sein Gut in Dutchess County zurück und wartete ab. Bis ihn John Jay 1777 aufforderte – von Mann zu Mann –, Farbe zu bekennen. Beverly sagte, er könne den geforderten Treueid nicht leisten. So war er gezwungen, sein Bündel zu packen und mit der ganzen Familie nach New York zu ziehen, hinter die britischen Linien. Seine Entscheidung war getroffen.
    Aber später, als die Kolonisten den Krieg zu gewinnen schienen, war er bei den Friedensverhandlungen der ideale Vermittler. Er sagte, es sei an der Zeit, die Kämpfe in Ehren und in Sicherheit zu beenden und Milde walten zu lassen.«
    »Sie denken, Washington sah sich in einer ähnlichen Situation?« Polly kaute auf ihrem Fingernagel und starrte auf das starre Land zwischen den Ortschaften. Die Wolken schienen sich auf sie herabzusenken. Ein Hund beobachtete sie, drehte sich aber um und trottete davon, bevor der braune Wagen ganz an ihm vorbei war. Kein Bellen, kein Fünkchen Interesse. »Gab es so was oft?«
    »Ja, sicher. Washington kriegte von vielen Seiten Angebote.
    Er wies allen die Tür, aber weil er so wichtig war, so exponiert, gab es immer wieder Gerüchte und Anspielungen und
    Verleumdungen.«
    »Gibt es irgend welche schriftlichen Belege, dass Washington bereit war, mit den Engländern gemeinsame Sache zu machen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Kein Fitzelchen. Nichts.«
    Sie klopfte mit dem Finger auf das Päckchen auf ihrem Schoß.
    »Gibt es irgendwo Dokumente wie das, was wir hier haben?«
    »Kommt drauf an, was es wirklich ist. Wenn ich das sicher wüsste, könnte ich Ihnen

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