Arabellas Geheimnis
Ein Edelmann? Thadus Kleider rochen leicht nach einem Gewürz – Beifuß vielleicht. Als er mit der Kette fertig war, waren Arabellas Hände vorne von den Handgelenken bis zu den Ellbogen zusammengebunden. Thadus umfasste das andere Ende der Kette, sodass er Arabella hinter sich herziehen konnte.
Dicht vor ihr stehend, bewunderte er sein Werk. Dann hob er den Blick und schaute ihr ins Gesicht. Mit dem Finger strich er ihr über die Brüste, die durch ihre gefesselten Arme zusammengedrückt wurden.
„Keine Angst, mein Schatz. Du wirst schon merken, unsere Gesellschaft ist gar nicht so übel.“
Arabella verbarg ein Schaudern und hoffte, ihn durch ihr Schweigen von sich abzulenken. Sollte sie für die beiden in irgendeiner Weise kostbar sein, wie sie behaupteten, dann würde ihr Wert gesteigert, wenn sie ihr kein Leid antaten. Arabella bat innerlich inständig darum, dass die Männer das bedachten.
Er nahm die Hände von ihr und befestigte die Kette an den Zügeln seines Pferdes. Dann hob er sie erneut in den Sattel. Arabella bemühte sich, nicht in Panik zu verfallen, als er sein Pferd tiefer in den Wald führte.
Wahrscheinlich würde das böhmische Gefolge jetzt ihre Abwesenheit entdecken, wenn es nicht schon geschehen war. Rosalyn war sicher zu der Gruppe zurückgekehrt, da sie von den Männern nicht mehr erwähnt worden war. Tristan würde sehr zornig auf Arabella sein, weil sie sich auf eigene Faust entfernt hatte. Sie konnte es ihm nicht übel nehmen. Es war dumm von ihr gewesen, auf Rosalyn zu hören, doch sie hatte geglaubt, das Richtige zu tun. Prinzessin Anne wünschte wirklich, dass in der Reisegesellschaft Friede herrschte. Ob Tristan selbst nach ihr suchen oder einen seiner Männer schicken würde? Nein, er würde ganz bestimmt selbst kommen und wenn auch nur, um sie wegen Nichtbeachtens seiner Befehle zu schelten.
Doch selbst wenn er herausfand, in welche Richtung Arabella geritten war, so würde er sie doch in dem dichten Wald nie finden können, in den Thadus sie jetzt brachte.
Wenn sie ihm nur einen Hinweis geben könnte …
Arabella erinnerte sich an ihren Beutel voller getrockneter Blumen. Sie trug ihn immer bei sich, um mit den Blüten darin ein wenig ihre Kleider zu parfümieren. Und heute hatte sie sogar mehr als sonst dabei, weil sie an einer gut verborgenen Schlingpflanze in einem Dickicht nahe der Stadt noch ein paar späte Blüten gefunden hatte. Sie musste nur den Beutel öffnen, bevor sie zu tief in den Wald gelangt waren.
Vorsichtig prüfte sie ihre Fesseln und stellte fest, dass sie die Finger kaum rühren, doch ihre gebundenen Hände recht gut bewegen konnte.
Sie drehte sich vorsichtig ein wenig im Sattel, um leichter an den hin- und herschwingenden Beutel an ihrer Seite heranzureichen. Und dann, ganz langsam, um nicht die Aufmerksamkeit ihres Entführers zu erregen, legte sie die gefesselten Hände über das Säckchen und steckte zwei Finger hinein. Eine Blume nach der anderen ließ sie zu Boden fallen und hoffte, dass es nicht zu dunkel sein würde, wenn Tristan nach ihr suchte. Sonst würde er die Fährte nicht mehr sehen können. Die Wahrscheinlichkeit, dass Tristan mitten im Nirgendwo eine kleine Spur aus Blumen entdeckte, war sehr gering. Aber andererseits war Tristan ein sehr kluger Mann.
Bei dem Gedanken an ihn tat ihr das Herz weh. Seit der Abreise aus Köln bemühte sie sich mit aller Kraft, sich von dem Mann fernzuhalten. Aber der Himmel möge ihr beistehen, kein noch so großer Abstand konnte sie davon abhalten, mit den Augen bei diesem Mann zu verweilen. Gegen ihren Willen beobachtete sie ihn, bis sie das Gefühl hatte, jede seiner Regungen zu kennen. Während der Reise war es ein Spiel für sie geworden, seine Stimmungen zu deuten und sich zu überlegen, warum er wohl gerade die Augenbrauen zusammenzog oder sich sein Kinn verhärtete.
Ihre Großmutter hätte sie ein närrisches Mädchen geheißen. Arabella tröstete sich, indem sie sich daran erinnerte, dass es herzlich wenig andere Dinge gegeben hatte, die auf dieser langen Reise ihren Verstand hätten beschäftigen können.
Als Thadus sein Reittier vor einem Berg aus Zweigen und Blättern zum Halten brachte, verbarg sie ihren Beutel mit den getrockneten Blumen wieder in den Falten ihres Rockes. Er stieg ab, band das Pferd an und lächelte, bevor er so hart an Arabellas Kette riss, dass sie zu Boden stürzte. Weil sie den Fall nicht mit ihren Händen abbremsen konnte, landete sie mit ihrem ganzen Gewicht
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