Arabellas Geheimnis
seinem Vorhaben abgebracht. Und diese französischen Bewaffneten schworen jetzt, sie hätten, als sie Annes Gefolge zum ersten Mal erblickten, in einiger Entfernung Männer hinter der böhmischen Gesellschaft herreiten sehen.
„Wenn uns Männer in der Absicht folgen, Prinzessin Anne abzufangen, können wir einen möglichen Überfall auf See nicht ausschließen. Ich werde nicht zulassen, dass Ungeduld eine Mission zum Scheitern bringt, die bis jetzt ein Erfolg war.“
Erfolgreich zumindest, was seine Pflicht betraf. Für ihn persönlich war der vergangene Monat jedoch ein elender Reinfall gewesen, denn er hatte die aufregendste Frau vertrieben, der er je begegnet war. Simon war der Meinung, Tristan sollte sich eigentlich darüber freuen, wenn man das Gerücht über ihre Abstammung von Zigeunern und das Gerede über ihre geheimnisvolle Vergangenheit in Betracht zog. Aber Tristan sehnte sich nach ihr. Er vermisste es, sich mit ihr zu unterhalten und mehr noch vermisste er ihre Lippen auf den seinen.
Er warf einen Blick zurück und stellte fest, dass der Fleck, an dem Arabella eben noch gestanden hatte, leer war. Wie zuvor war Maria Natansia noch an der Seite der Prinzessin, doch Arabella war nirgends zu sehen. Er suchte den Marktplatz nach dem blauen Gewand ab, das sie trug. Er konnte sie nicht entdecken.
Kalte Angst schnürte ihm den Magen zu, während er betete, dass sie nur zu einer einsamen Stelle gegangen war, an der sie nackte Erde unter ihren heidnischen Füßen fühlen konnte.
„Zur Hölle!“ Tristan drehte sich auf dem Absatz um und rief nach seinem Pferd. „Bereitet die Reisegruppe darauf vor, dass wir hier übernachten. Arabella ist verschwunden.“
„Ich glaube, wir sollte uns nicht noch weiter von der Gruppe entfernen, Rosalyn.“ Arabella zügelte ihr Pferd und weigerte sich, der anderen Frau noch tiefer in den Wald hinein zu folgen. „Ihr solltet überhaupt nicht reiten. Die Prinzessin hat Euch doch ihre Kutsche angeboten.“
Rosalyn wandte ihr das Gesicht zu. In ihren dunklen Augen war offene Feindschaft zu lesen. Sie saß seitwärts in einem der neuen Sättel, die dank Prinzessin Anne jetzt unter den Frauen beliebt waren, und ihr purpurner Surcot fiel auf einer Seite über die Flanke ihres Pferdes.
„Sie ist es doch, die mich aufforderte, mit Euch zu sprechen, Arabella Rowan. Wollt Ihr die Wünsche Eurer Prinzessin nicht erfüllen? Oder seid Ihr so schlecht erzogen, dass Ihr es nicht besser wisst, als der königlichen Familie zu missfallen?“ Rosalyn konnte Arabella nicht verzeihen, dass sie dem böhmischen Hof die Wahrheit über den Zustand ihrer Schwangerschaft enthüllt hatte.
Die wütenden Blicke, die Rosalyn ihr während der letzten vierzehn Tage geschenkt hatte, waren Arabella Beweis genug gewesen. Immer wieder war sie bemüht gewesen, der Frau klarzumachen, dass sie der Prinzessin Rosalyns Zustand gar nicht hatte erklären müssen. Prinzessin Anne hatte mit eigenen Augen erkannt, in welchem Stadium sich Rosalyns Schwangerschaft bereits befand.
„Ich folgte Euch, weil ich Anne Respekt erweisen möchte.“ Arabella bezwang ihren Ärger über Rosalyn und schaute in Richtung Marktplatz zurück. Allzu weit waren sie nicht von der Gruppe weg. Doch Arabella dachte daran, dass Tristan betont hatte, wie wichtig es war, beisammen zu bleiben.
Sie hatte sich angestrengt, diese Anweisung zu beachten. Wirklich, das hatte sie! Doch das enge Beieinander während dieser Reise war ausschlaggebend dafür gewesen, Rosalyns Bitte, mit ihr unter vier Augen zu sprechen, nachzukommen. Besonders, da Prinzessin Anne wollte, dass sie beide Frieden schlossen.
Als Arabella sich jetzt jedoch umdrehte, um mit Rosalyn zu reden, lenkte die Frau gerade ihr Pferd von der kleinen Lichtung, während ein anderer Reiter ihren Platz auf dem steinigen Grund neben Arabella einnahm. Ein Mann.
Beunruhigt wendete Arabella ihr Pferd, um zur Gruppe zurückzukehren, als ein weiterer Reiter auf sie zu galoppierte und ihr den Weg abschnitt.
„Rosalyn!“ Sie rief nach der anderen, die aber schien verschwunden zu sein.
Wollte sie Hilfe zu holen? Oder war es möglich, dass Rosalyn Arabella mit Absicht in die Irre geführt hatte?
Arabella fing den Blick des ersten Reiters auf. Und als sie in ihm den Verbrecher erkannte, der sie auf dem Marktplatz in Prag überfallen hatte, merkte sie, wie töricht sie gewesen war.
Ivan Litsen.
Zu spät gab sie ihrem Pferd die Sporen. Ihre beiden Verfolger hatten sie bereits eingekreist.
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