Arabellas Geheimnis
nicht zu viel Blut verlor und später keine Infektion hinzukam.
So schnell wie möglich entfernte sie den Verband und spülte die Wunde aus. Danach legte sie mehrere Lagen Irisblütenblätter aus ihrem Kräutersack über den tiefen Schnitt und bedeckte sie mit den Stoffstreifen, die sie aus ihrem Leinenrock gerissen hatte. Die Blütenblätter würden helfen, die Blutung zu stillen.
Doch wie ihn in Sicherheit bringen?
Während der nächsten Woche würde er fortwährende Pflege und einen behaglichen Ort brauchen, an dem er sich erholen konnte. Wie sollte sie diesen Riesen von einem Mann fortschaffen?
Arabella überlegte gerade, ob sie Tristan irgendwie, ohne ihm noch mehr wehzutun, auf eines der Pferde würde hieven können, als sie den Hufschlag eines einzelnen Pferdes hörte.
Ivan.
Kehrte er mit einem weiteren unglücklichen Opfer zurück? Er war ja aufgebrochen, um noch jemanden zu entführen. Arabella hob Thadus Messer auf und bereitete sich darauf vor, Ivan anzugreifen. Wenn es sein musste, würde sie ihn umbringen.
Doch als sie sich mit gezücktem Messer dem Reiter in den Weg stellte, stand sie Angesicht zu Angesicht Simon Percival gegenüber.
„Gott sei Dank!“ Eine Welle der Erleichterung durchströmte sie, und Thadus’ Messer fiel klirrend zu Boden. „Ihr müsst mir rasch helfen. Tristan ist verwundet worden und …“
„Was ist hier geschehen?“ Simon drehte sich zu Arabella um, als wüsste er bereits, wem er die Schuld zuzuweisen hatte. Er kniff die Augen zusammen.
Unter Simons anklagendem Blick spürte Arabella ihre Schuld doppelt schwer. „Ich weiß, ich hätte das Gefolge am Strand nicht verlassen dürfen, aber …“
Simon fluchte, als er Tristan näher betrachtete. Er sprang vom Pferd und ging zu ihm.
„Sollte er sterben, werte Dame, dann werdet Ihr eine sehr bedauernswerte Frau sein.“ Obwohl Tristan größer war als er, lud Simon sich seinen Freund auf die Schultern.
Arabella trat zu Tristans Pferd, um ebenfalls aufzusteigen. „Ich werde hinter ihm reiten. Er braucht …“
„Er braucht Eure fremdländische Medizin nicht, die ihm nur die Sinne vernebelt.“ Simon stürzte sich auf sie und stieß sie von Tristans Pferd fort. „Sollte ich Euch in seiner Nähe sehen, übernehme ich keine Verantwortung für das, was ich tun werde.“ Seine Warnung hing zwischen ihnen. Dann wandte Simon sich ab, um ein Seil um seinen verletzten Freund zu schlingen und ihn so auf dem Pferd zu sichern.
Arabella wusste nicht, was sie sagen sollte. Wenn sie sich nicht von den anderen entfernt und Tristans Warnungen in den Wind geschlagen hätte, wäre das alles nicht geschehen. Doch Simon verstand nicht, dass sie Tristan helfen konnte, ihm helfen musste, damit er wieder gesund würde.
„Aber …“
„Ihr reitet mit mir.“ Simon zog sie hinter sich in den Sattel und packte die Zügel von Tristans Pferd, um das Tier zu führen. „Wir werden so schnell wie möglich nach England übersetzen, und ich werde Tristans König entscheiden lassen, ob er für seine Heilung einen Wundarzt oder eine Zigeunerhexe rufen will.“
Simons grausame Worte wirbelten in ihrem Kopf herum, und Arabella saß sehr still da, während sie sich ihren Weg zurück zum Hafen suchten. Die ganze Zeit über lauschte Arabella auf einen Ton von Tristan, den ihre Bitte um Mitleid vielleicht das Leben kosten würde.
10. KAPITEL
Die feuchte Kälte in dem neuen Land und die harten Herzen um sie herum verfluchend, schwor sich Arabella zwei Tage später, Tristan zu suchen. Sie hatten Rochester erreicht, wo Prinzessin Annes Gefolge von dem Earl of Buckingham begrüßt worden war. Niemand von der Reisegesellschaft hatte etwas von der Bedrohung hören wollen, der Arabella ausgesetzt gewesen war. Ihnen genügte die Tatsache, dass die Reise fast vorüber war und sie sich auf britischem Boden befanden, wo sich die Anzahl der Ritter, welche die Frauen beschützten, verdoppelt hatte.
Rosalyn schwor, sie hätte sich auf der Flucht vor Ivan und Thadus verirrt und hätte geglaubt, Arabella wäre bereits wieder bei der Gruppe, die sie an der Küste erwartete. Sie war genauso wie die anderen erstaunt gewesen, als plötzlich festgestellt worden war, dass Arabella vermisst wurde. Aber sie hatte die Männer nicht richtig gesehen und konnte daher nicht sagen, wer sie verfolgt haben könnte.
Simon gab sich alle Mühe, Arabella von Tristan fernzuhalten. Bei der Überfahrt von Calais hatte er sie sogar auf einem anderen Schiff untergebracht. Heute
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