Arabellas Geheimnis
Tristan die Oberhand zu gewinnen schien. Doch die Bösartigkeit, die sie in den Augen des anderen Mannes gesehen hatte, ängstigte sie. Voll Sorge trat sie von einem Fuß auf den anderen, während die Männer in dem Berg aus zerbrochenen Ästen und Zweigen miteinander rangen.
Tristan schlug unermüdlich mit der Faust zu, bis sein Gegner sich nicht mehr rührte. Auch wenn Arabella froh war über Tristans Sieg, jagte ihr dieses Erlebnis einen Schauer über den Rücken. Doch als sich in die dumpfen Schläge gelegentlich das Knirschen brechender Knochen mischte, glaubte Arabella, nicht noch mehr ertragen zu können.
„Tristan, er bittet um Gnade.“ Zumindest glaubte sie das, doch das Blut rauschte so stark in ihren Ohren, dass sie sich dessen nicht gewiss war.
Bei ihren Worten hielt Tristan kurz inne, und Arabella dachte einen Augenblick lang, er würde sie nicht erkennen. Seine Augen waren dunkel und durchdringend, und in ihren Tiefen lag ein grausamer Ausdruck.
Doch dann erhellte sich sein Gesicht, und Thadus bat auf Englisch um Gnade.
Tristan seufzte tief auf und wandte sich von seinem Opfer ab, um die Arme nach Arabella auszustrecken. Dankbar darüber, dass Tristan und auch sie selbst unverletzt geblieben waren, lief sie zu ihm und ließ sich in seine Arme fallen.
„Ich danke Euch. Ich bin so froh, dass Ihr mich gefunden habt.“ Sie barg das Gesicht in seiner Houppelande, atmete seinen Geruch ein, der zugleich fremd und doch vertraut war. „Hat Rosalyn wieder zu Euch zurückgefunden? Sie wollen noch eine andere Frau aus Prinzessin Annes Gefolge entführen.“
„Rosalyn de Clair? Als ich aufbrach, um Euch zu suchen, blieb sie bei den anderen Frauen. Sie ist in Sicherheit. Wir müssen schnell zurückkehren.“ Er drückte ihr einen Kuss aufs Haar, und Arabella spürte, wie ihr Tränen der Erleichterung in den Augen brannten. „Was meintet Ihr mit ‚sie‘?“
Er sah auf sie hinunter, während Arabella zu verstehen versuchte, warum Rosalyn nichts über ihre Entführung gesagt hatte.
„Thadus war nicht allein. Ivan war bei ihm. Er hat sich auf den Weg zur Küste gemacht, um …“
Ein zischendes Geräusch ließ sie stocken. Mit einem Mal veränderte sich Tristans Gesichtsausdruck. Seine Augen wurden groß, und er stolperte nach vorne.
„Tristan?“ Entsetzen packte Arabella.
Sie entdeckte, dass eine schmale, silberne Klinge aus Tristans Rücken ragte. Und hinter ihm entdeckte sie Thadus, der sich aufgerichtet hatte und von dieser Anstrengung noch hin- und herschwankte. Offensichtlich hatte er den Dolch quer über die halbe Lichtung geschleudert.
Als Tristan gegen sie fiel, drückte sein Gewicht sie beide zu Boden. Thadus starrte wie ein böser Dämon zu ihnen herüber, bis auch er wieder auf dem Waldboden zusammenbrach.
Arabella schrie auf.
„Tristan!“ Noch nie während all der Jahre an der Seite ihrer Großmutter war ihr beim Anblick von Blut schlecht geworden. Aber jetzt, als sie unter Tristan hervorkroch, der auf dem Bauch lag, drehte sich ihr der Magen um.
„Bitte, lieber Gott, lass ihn nicht sterben“, flehte sie, packte das Messer und zog es vorsichtig aus Tristans Rücken. Um die Wunde nicht noch zu vergrößern und so noch mehr Schaden anzurichten, achtete sie darauf, dass sie es auch nicht um Haaresbreite nach der einen oder anderen Seite bewegte. Es war ein langes Messer, aber es hatte Tristans Körper nicht ganz durchdrungen. Und Gott sei Dank hatte es nicht das Herz getroffen, sondern steckte ein wenig weiter rechts, knapp darüber.
Sie versuchte vorerst, notdürftig die Blutung zu stillen, bis sie einen richtigen Verband würde anlegen können. Danach riss sie Streifen von ihrem Rock ab und sah sich nach Tristans Wassersack um. Nebenbei versetzte sie Thadus mit dem Griff seines eigenen Messers einen Hieb über den Schädel, um sicherzugehen, dass er bewusstlos blieb. Sollte der Höllenhund es wagen aufzuwachen, würde sie ihn mit bloßen Händen töten.
Arabella zwang sich, nicht daran zu denken, dass Tristans Verwundung allein ihre Schuld war und bemühte sich, nur noch Heilerin zu sein. Sie musste jetzt unvoreingenommen, schnell und ohne lange zu überlegen handeln. Sie zog Tristan die Houppelande und die Tunika aus, um sich die Wunde anzuschauen. Schon jetzt war der notdürftige Verband mit Blut durchdrängt. Zu diesem Zeitpunkt stellte Blutverlust die größte Gefahr dar. Tristan konnte sich von dieser Verwundung erholen, da war Arabella sich sicher, wenn er jetzt nur
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