Arabellas Geheimnis
überdachten Korridor, von dem rechts und links Säle und Gemächer abgingen. Als sie die Tür erreicht hatte, von der sie hoffte, dass sie nach draußen führte, sah sie erstaunt, dass sie sich öffnete und ein eleganter roter Schuh erschien.
Rosalyn de Clair trat in den Wohnturm, die Wangen noch rot von der Kälte. Das graue Licht eines Wintertages hüllte sie ein und ließ ihre immer noch zarten Züge erkennen, auch wenn ihre Figur in der Taille fülliger geworden war.
„Ich gratuliere Euch zu Eurer Hochzeit, Edle Dame Rosalyn.“ Arabella nickte ihr zu. Nach ihrem seltsamen Gespräch im Wald, das mit Arabellas Entführung geendet hatte, während Rosalyn unverletzt entfliehen konnte, war sie der Frau gegenüber vorsichtig.
„Euch ebenfalls.“ Rosalyn versperrte ihr den Weg. „Ihr wollt ohne Begleitung die sicheren Mauern der Burg verlassen?“
„Einen Mann auf Befehl des Königs zu heiraten, sorgt für einen anstrengenden Tag, wie Ihr vielleicht selber wisst. Ich hoffte, die frische Luft würde mich vielleicht ein wenig aufmuntern.“ Sie nahm den Kranz aus getrockneten Blumen aus dem Haar. Arabella war es müde, sich um Anerkennung zu bemühen, die sie vielleicht niemals erhalten würde.
Rosalyn rührte sich nicht vom Fleck. Stattdessen legte sie die Hand an die Tür, als wollte sie Arabella am Gehen hindern.
„Ihr wünscht keine Begleitung nach dem, was in Calais geschehen ist?“ Rosalyns Angst klang fast echt. „Ich habe gehört, dass die Männer, die Euch entführten, immer noch auf freiem Fuß sind. Ich glaube, Euer Gatte dürfte noch mehr Grund haben, mich zu hassen, sollte ich Euch erlauben, frei im Burghof herumzulaufen.“
„Und ich habe gehört, dass die Residenz des Königs immer von vielen Rittern bewacht wird.“ Arabella wusste nicht, was sie mit dem plötzlichen Interesse der Frau an ihrem Wohlergehen anfangen sollte. „Ich glaube, es dürfte für zwei Männer schwer sein, so viele Beschützer zu überwältigen.“
Rosalyn straffte die Schultern und nickte. Ihr purpurfarbener Surcot glitzerte von Juwelen, die selbst in dem dürftig erhellten Korridor noch blitzten.
„Seid Euch nicht so sicher. Zwei Männer können sich sehr wohl verstecken, auch wenn eine Armee von zweihundert anwesend ist. Wenn Ihr darauf besteht, will ich Euch nicht aufhalten. Ich hoffe nur, Ihr erinnert Euch meiner Bemühung, wenn das nächste Mal behauptet wird, ich hätte Euch an diesem Tag in Calais bewusst in die Irre geführt.“
Arabella spürte den Stich, den diese Bemerkung enthielt. Zweifellos hatte Rosalyn gehört, dass Arabella ihr Benehmen an diesem Tag seltsam fand.
„Ich verstehe. Obgleich mir jetzt einfällt, dass es uns an diesem Tag gar nicht möglich war, miteinander zu sprechen.“ Rosalyn nickte und gab den Weg frei.
„Ja. Ich hoffte doch nur, Frieden schließen zu können, wie es die Prinzessin wünschte, Arabella.“ Plötzlich trat Rosalyn an sie heran und küsste sie auf die Wange. „Gottes Segen für Eure Ehe, und mögt Ihr sicher sein.“
Mit raschelnden Röcken schritt Rosalyn davon. Arabella legte die Hand auf die Wange, wo Rosalyn sie geküsst hatte und fragte sich erneut, was für Motive die andere wohl haben mochte, sich auf einmal so freundlich zu verhalten. Wollte sie vielleicht tatsächlich jenen Tag wiedergutmachen?
Zaharia sagte immer, dass eine schwangere Frau ihren Stimmungen intensiver ausgeliefert sei. Manche Frauen litten unter beständig schlechter Laune, während andere eine so tiefe Wärme und Zufriedenheit empfanden, wie sie es noch nie zuvor erlebt hatten. Erfuhr Rosalyn etwa jetzt, da sie das Kind akzeptierte, diese Art des Glücklichseins?
Arabella öffnete die Tür zum Burghof und vergewisserte sich, dass draußen Ruhe und Ordnung herrschten. Einige Kinder rannten herum und jagten ein entfleuchtes Huhn und einen räudigen Hund. Einige Knappen rangen miteinander auf der kalten Erde. Fluchend und lachend versuchten sie einander zu besiegen. Ein Hausierer schob seinen Karren vor sich her. Er hatte die Kapuze so tief ins Gesicht gezogen, dass man nicht erkennen konnte, wie alt er sein mochte.
Arabella wähnte sich in Sicherheit. Sie wollte gerade in die frische Luft hinaustreten, als sich ihr von hinten Hände um die Taille legten und sie festhielten. Arabella wollte schon losschreien, dass die ganze Burg es hören musste, als eine tiefe Stimme ihr etwas ins Ohr flüsterte.
„Du solltest noch nicht einmal davon träumen, deinem Hochzeitstag zu entkommen,
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