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Arabiens Stunde der Wahrheit

Arabiens Stunde der Wahrheit

Titel: Arabiens Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scholl-Latour
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Sohn, schwebte bereits in den Wolken, während Vater Assad, die offenen Hände zum Gebet erhoben und umringt von einer Schar weinender Untertanen, in Ehrfurcht und Trauer erstarrte.
    Vergebliche Friedensfühler
    Ich will nicht in den Fehler verfallen, den »Erbstreit im Hause Abraham« zwischen Juden und Arabern um das Heilige Land in das Zentrum aller Betrachtungen zu stellen oder die »Naqba«, die Katastrophe, wie die Palästinenser die Gründung des Staates Israel nennen, für alle im Orient sich ablösenden Krisen und Konflikte verantwortlich zu machen. Dennoch läßt sich in Damaskus, das von Galiläa nicht allzu weit entfernt ist, das Thema der Beziehungen Syriens zur »Zionist entity«, wie hier die Unversöhnlichen sagen, nicht vermeiden.
    Zu Beginn des Jahres 1997 herrschte zwischen den beiden Hauptkontrahenten in Nahost weiterhin das abgrundtiefe Mißtrauen vor, das ihr Verhältnis von Anfang an prägte. In den streng geheimen Kontakten in den USA auf der »Wye Plantation«, die von syrischer Seiteauf die Formel gebracht wurden: »full withdrawl, full peace« – mit dem Rückzug waren natürlich die Golanhöhen gemeint –, fand kein Durchbruch statt. Der Abbruch der Friedensverhandlungen, so hatte ich bereits in den syrischen Ministerien erfahren, war nicht erst – wie im Westen gern kolportiert wird – durch die Regierungsübernahme Benjamin Netanjahus im Mai 1996 verursacht worden. Ein paar Wochen zuvor hatte dessen Vorgänger von der Arbeiterpartei, Shimon Peres, die Vergeltungsoperation »Früchte des Zorns« als Beantwortung sporadischer Katjuscha-Angriffe der schiitischen Hizbullah gegen nordgaliläische Dörfer angeordnet. Sechzehn Tage lang führte damals vor allem die Luftwaffe Zahals so intensive Bombardierungen im Südlibanon durch, daß die arabischen Zivilisten aller Konfessionen in einer gewaltigen Fluchtwelle nach Norden in Richtung Beirut auswichen.
    In Jerusalem erinnerte man sich wohl intensiv daran, daß im sogenannten Yom-Kippur-Krieg von 1973 die Panzerkräfte Hafez el-Assads über den Golan und den Jordan bis zur Stadt Kiryat Shmonah vorgedrungen waren und daß der syrische Feldkommandant sogar weiter hätte vorrücken können, wenn er nicht – getreu seiner sowjetischen Militärausbildung – vergeblich die Verstärkung und die dreifache Überlegenheit seiner Offensivkolonnen abgewartet hätte. Angeblich wurde dieser General nach seiner Rückkehr nach Damaskus in einem Schnellverfahren durch den Strang hingerichtet.
    Entgegen einer weitverbreiteten Meinung habe ich die Erfahrung gemacht, daß man in Damaskus nicht immer auf eine Mauer des Schweigens stößt. Am 20. Mai 1997 war ich zu einem Gespräch mit Adnan Omran, dem syrischen Vize-Außenminister, eingeladen. Man sagte damals, daß Omran das Ohr des Präsidenten besäße und zu den einflußreichsten Männern des Baath-Regimes gehörte. Da er aus der Gegend von Tartus stammte, nahm ich an, daß er Alawit war. Der gutaussehende, grauhaarige Mann sprach perfekt Englisch, wirkte weltläufig und war außerordentlich gut informiert. Von ideologischen Vorbehalten war wenig zu spüren. Vermutlich hatte ich es der Vermittlung des früheren syrischen Botschafters in Bonn,Suleiman Haddad, zu verdanken, daß Adnan Omran sich mit einer Offenheit, ja Ungeschminktheit ausdrückte, die ansonsten nicht zum politischen Stil der Damaszener-Republik gehörte und den akkreditierten Diplomaten selten gewährt wurde.
    Mir fiel die Bescheidenheit des Ministeriums auf, die mit der amtlichen Verschwendungssucht so vieler anderer arabischer Staaten angenehm kontrastierte. Die deutsche Botschaft lag gleich nebenan. Auch der Amtssitz des Staatschefs befand sich in derselben Straße, weshalb der Autoverkehr hier verboten war und zahlreiche Bewaffnete – oft in Zivil – sich auf den Trottoirs aufhielten. In dem Ministerbüro hing das Bild des Rais, und neben dem Schreibtisch war eine syrische Fahne aufgepflanzt. Ihre schwarz, weiß, grün und rot angeordneten Streifen oder Dreiecke sind den Emblemen Jordaniens, des Irak, Kuweits, der Palästinenser so ähnlich, daß man sie leicht verwechselt. Die gemeinsame Farbenwahl ist wohl das einzige, was von der erträumten arabischen Einheit im Bereich des »Fruchtbaren Halbmondes« übriggeblieben

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