Arabiens Stunde der Wahrheit
übernahm und daà sich später die Bruderschaft oder Tariqa der Tidjaniya durchsetzte, die aus Marokko importiert wurde. Dazu gesellten sich ständige Einfälle oder »Rezzu« der räuberischen Hamiten-Völker â Tuareg, Rgibat, Fulani, Tubu â, die auf ihren Kamelen und flinken Pferden bis in die jüngste Vergangenheit den breiten Sudan-Streifen verunsicherten.
Bevor wir dem leidigen Disput über Darfur den Rücken kehren, soll eine unparteiische Autorität, der nigerianische General Henry Anyidoho,zu Worte kommen, der in aller Nüchternheit zum Thema der Djandjawid feststellt: »Diese berittenen Nomadenkrieger hat es hier immer gegeben, sie sind in der ganzen Sahelzone Afrikas zu finden, in Niger, in Sudan, im Tschad, in der Zentralafrikanischen Republik. Das aktuelle Problem besteht darin, daà sie die früher üblichen Waffen, nämlich Pfeil und Bogen, durch das mörderische Schnellfeuergewehr AK 47, durch die Kalaschnikow, ersetzt haben.«
Was nun unseren Kronzeugen Ibn Battuta betrifft, so hatte er in Mali eine junge schwarze Sklavin gekauft, die er aber sehr bald gegen eine andere Gefährtin austauschte, die ihm besser gefiel. Er befand sich wohl in der Stadt Agades in der heutigen Republik Niger, als ihn die Weisung seines Sultans erreichte, seinem frommen Wanderleben ein Ende zu setzen und nach Fez zurückzukehren. In der Karawane, der er sich anschloÃ, befanden sich auch sechshundert schwarze Sklavinnen, die den mörderischen Marsch durch die Wüste und die Steppe in Richtung auf Tripolis und den Maghreb antraten. Die Kolonne war während des Ramadan aufgebrochen, weil selbst die wildesten, verschleierten Wüstenräuber im heiligen Fastenmonat ihre Angriffe auf Reisende einstellten. Im Januar des Jahres 1353 â im Jahr 731 der muslimischen Zeitrechnung â war es Ibn Battuta vergönnt, in der Hauptstadt Fez die Hand des »Amir el muâminin«, des Sultans AbuâInan, zu küssen und in dessen »gesegnetes Antlitz« zu blicken. Die Niederschrift seines umfangreichen Reiseberichts beendete er am 13. Dezember 1355.
Auch hier läÃt sich ein trauriger Bezug zu unserer Gegenwart herstellen. Wo einst die geraubten Sudanesen im Wüstensand verdurÂsteten und litten, bewegen sich heute brüchige Lastwagenkolonnen, auf denen die illegalen Migranten aus Schwarzafrika â eng gedrängt â der Mittelmeerküste und der erhofften Einschiffung nach Europa zustreben. Von ihren gewissenlosen arabischen Schleusern werden sie nicht nur finanziell ausgebeutet, sondern oft genug dem Tod durch Verdursten und Erschöpfung ausgeliefert, noch ehe diese Verzweifelten die Häfen des Mittelmeers erreichen.
Uransuche in der Sahara
Beimeiner ersten Sahara-Durchquerung zu Beginn des Jahres 1956 bewegte ich mich mit sechshundert Jahren Abstand auf der Route Ibn Battutas. Zu jenem Zeitpunkt war die Revolte der AlÂgerier gegen die französische Militär- und Kolonialpräsenz längst im Gange. Aber Nordafrika war infolge der gewaltsamen franzöÂsischen »pacification« wesentlich sicherer als das heutige Afghanistan im Zeichen der amerikanischen »counter insurgency«. Ich werde oft gefragt, wie sich denn während des halben Jahrhunderts, in dem ich die Welt in allen Himmelsrichtungen durchstreifte, die Beziehungen unter den Menschen verändert hätten. Nun neigt Âjeder im hohen Alter dazu, die Vergangenheit zu verschönern und ihr nachzutrauern. Der englische Schriftsteller Evelyn Waugh hat das mit dem Buchtitel ausgedrückt: When the going was good .
Bei meinem Fortkommen durch Fels und Staub, von Oase zu Oase, war ich damals auf das Wohlwollen arabischer und kabylischer Lastwagenfahrer angewiesen, die mir gegen geringes Entgelt einen Sitz in ihrer Kabine anboten. Sie konnten davon ausgehen, daà ich eine gewisse Summe an Dollars oder Francs bei mir trug. Ich wäre ihrer Raublust hilflos ausgeliefert gewesen. Aber diesen rohen Männern, die auch ihren Proviant brüderlich mit mir teilten, war ein solcher Gedanke offenbar gar nicht gekommen. Wenn gegen Mittag die Sonne stechend wurde â Klimatisierung gab es ja nicht â, legten wir uns, um Schatten zu finden, unter die mächtige Karosserie, und bei Erreichen unseres jeweiligen Etappenziels verabschiedeten wir uns in aller Herzlichkeit.
Die Sahara ist ein strenger Zuchtmeister. Nirgendwo
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