Arabiens Stunde der Wahrheit
sprach und die eisige, ehrfurchtgebietende Nähe Allahs verspürte.
Dieses für alle Araber katastrophale Gottesgericht von 1967 hat seltsamerweise nicht den Nimbus Nassers vernichtet, wohl aber den Traum einer panarabischen nationalen Einheit. Der Islam wurde auf seine ursprüngliche theozentrische Essenz zurückgewiesen, während die Juden Israels in ihrem Siegestaumel glaubten, der Gott der Heerscharen, Zebaoth, habe auf wundersame Weise ihren Anspruch auf das Land der Väter bestätigt. Nach diesem Desaster wollte Nasser seine Präsidentschaft aufgeben. Aber eine tosende Menge forderte ihn auf zu bleiben. Die Ãgypter konnten offenbar auf diese souveräne Vatergestalt nicht verzichten. Als der Rais als gebrochener Mann im Herbst 1970 starb, drängten sich fünf Millionen verzweifelte Trauernde hinter seinem Sarg.
Gamal Abdel Nasser war nicht nur ein arabischer Patriot gewesen, sondern auch ein frommer Muslim. Dennoch war es bald zur offenen Konfrontation mit der zweiten Macht im Staat, mit der Âeifernden Masse der Muslimbrüder, gekommen. Seine relativ moderne Staatsvorstellung lieà sich nicht vereinbaren mit der Vision des Gottesstaates, der islamischen Theokratie, wie sie Hassan
Âel-Bannagelehrt hatte. Nach dem Verbot der Ikhwan im Januar 1954 entging Nasser mit knapper Not einem Attentat. Als im August 1965 ein weitverzweigtes Komplott der Muslimbrüder aufgedeckt wurde, verschärfte sich die Repression des Militärregimes. Die führenden religiösen Oppositionskader wurden hingerichtet. Der einfluÃreichste Fanatiker, Sayyid Qutb, der bis auf den heutigen Tag von den Salafisten als geistliche Autorität verehrt wird, starb am Galgen. Tausende Verdächtige wurden in Wüstencamps eingesperrt. Erst nach dem Tod Nassers sollte sich der eiserne Griff der staatlichen Sicherheitsdienste lockern.
Pharaonen in Uniform
Wie Anwar es-Sadat von der in Kairo versammelten Militärjunta berufen wurde, die Nachfolge Gamal Abdel Nassers anzutreten, ist nicht bekannt. Böse Zungen behaupten, die Generale hätten den Unbedeutendsten unter ihnen zum Präsidenten gemacht, um ihre eigenen Ambitionen zu festigen. Dieser dunkelhäutige Offizier war nie aus dem Schatten seines Jugendfreundes Nasser herausgetreten, und manche belächelten ihn als einen gefügigen Botengänger des Rais, ja als eine Art »Bawab«, einen Türsteher. Niemand hätte ihm zugetraut, daà der stets lächelnde, elegant gekleidete Mann in seiner Regierungszeit weit mehr bewirken würde als sein Vorgänger, der Volksheld.
Im Hinblick auf die Muslimbrüder schlug er einen anderen, toleranten Kurs ein. Sadat hatte mit Sorge beobachtet, wie ein paar marxistische Ideologen Einfluà auf die Ministerien gewannen und sich mit den sowjetfreundlichen Nasseristen verbündeten. Also räumte er den frommen Ikhwan einen gewissen Bewegungsraum ein und entlieà die meisten von ihnen aus der Haft. Keiner hätte vermutet, daà er im Herbst 1973 zum sogenannten Ramadan- oder Yom-Kippur-Krieg gegen Israel antreten würde, daà er in einer Ãberraschungsoffensivedie Bar-Lev-Linie am Suezkanal niederwalzen und in die von Zahal besetzte Sinai-Halbinsel vorstoÃen würde. Die Bar-Lev-Linie, nach einem israelischen Kommandeur benannt, hatte ich ein Jahr zuvor besichtigt. Unmittelbar am Wasser des Kanals hatten die Israeli eine Anzahl Sandburgen aufgebaut und mit Drahtgeflechten befestigt. Von dort konnte man in aller Deutlichkeit das militärische Treiben auf dem ägyptischen Westufer beobachten. Es mutete beinahe lächerlich an, daà die Pioniere Anwar es-Sadats hochgespannte Tücher an langen Stangen entfalteten, um dem zionistischen Gegner den Einblick in das eigene Dispositiv zu verwehren.
Noch heute bleibt es ein Rätsel, wie der israelische Nachrichtendienst und die israelische Luftwaffe jenseits dieser primitiven Tarnung nicht erkannt hatten, daà die ägyptische Armee sich in dichten Kolonnen zum Sturm vorbereitete und zur Nivellierung der Sandbunker der Bar-Lev-Linie riesige Saugapparate in Stellung brachte. Mindestens ebenso unverständlich bleibt es, daà der intensive Funkverkehr zwischen den ägyptischen und den syrischen Stäben, mit denen das simultane Vorrücken am Suezkanal und auf den Golanhöhen koordiniert wurde, vom Mossad nicht wahrgenommen wurde.
Sobald die Stäbe von Tel Aviv sich gefaÃt hatten, holten sie zum
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