Arabische Nächte
ihre Haarflut streifte sein Gesicht. Das war zu viel. Ein Muskel verkrampfte sich in seiner Wange. Erschrocken spürte er, dass er gleich Tränen vergießen würde. Kurz schloss er die Augen und hoffte, das Zwinkern kostete ihn nicht ihren Anblick. Doch sie blieb - näher als je zuvor.
»Haben Sie Schmerzen?«
Schmerzen? Wenn sie doch bei ihm war? In ihm gab es nur Dankbarkeit, die gewaltig anschwoll.
Verblüfft spürte er die Berührung ihrer Hand, wirklicher als seinen eigenen Atem. Seine Zähne klapperten.
»Das Fieber ist gebrochen. Deswegen frieren Sie!« Sie entfernte sich, verschwand.
Er schloss die Augen. Seine Enttäuschung war so bitter, dass er sie förmlich schmeckte.
»Das Feuer ist ausgegangen«, hörte er sie aus großer Entfernung sagen.
Das Nächste wagte er nicht zu glauben! Sie stieg neben ihn ins Bett. Er spürte die Wärme ihres Körpers, als sie sich an seinen Rücken drückte und einen Arm um seine Mitte legte. »Besser?«
Besser als jedes Gefühl, das er je gehabt hatte! Doch er brachte kein Wort heraus. Dunkelheit hüllte ihn ein. Wenn dies der Tod war, war er es zufrieden.
Er berührte die Hand, die sie an sein Herz gelegt hatte, und murmelte: »Alhamdolillah valmenah.«
Hewlett-Packard
10
Alyssum drehte sich vor dem Spiegel hin und her; ihr Köpfchen zierte ein grüner Seidenhut, auf dessen Krempe eine große schwarze Samtschleife prangte. »Ist er nicht wundervoll?«
»Hinreißend! Ein Jammer, dass er dir nicht schmeichelt«, erwiderte Laurel.
Alyssums Lächeln war wie weggeblasen. »Was meinst du damit?«
»Also gut, wenn du unbedingt meine ehrliche Meinung hören möchtest. Bei dir sieht er wie ein umgestülpter Eimer aus. Du hast nicht das Gesicht dafür, es ist zu fein. Aber ich habe das
Kinn und die Wangen, die für die Krempe den Ausgleich schaffen.«
»Du hast Wangen und Kinn genug, um eine umgestürzte Kutsche auszubalancieren.« Anschaulich blies Cynara die Backen auf.
»Ach, seid endlich still!« Laurel drehte sich zu der Schneiderin um, die die Anprobe ihres neuen uniformblauen Spenzers beaufsichtigte. »Ich verabscheue Kinder, die keine Ruhe geben. Als ob sie etwas von Mode verstünden! Ich weiß gar nicht, warum man sie nicht zu Hause ließ.«
Japonica ignorierte diesen Seitenhieb wegen ihrer Entscheidung, alle Shrewsbury— Schwestern zu einem Einkaufsbummel in die Oxford Street mitzunehmen.
Nach drei schlimmen Tagen unter einem Dach mit Lord Sinclair fühlte sie sich, als würde ihr Kopf zerspringen, wenn sie nicht hinauskäme.
Intern suchte sie einen Ausgleich, indem sie die Entrümpelung des Hauses beaufsichtigte, das seit Jahren keine richtige Säuberung mehr erfahren hatte. Das muffige Gemäuer war praktisch unbewohnbar - eine Tatsache, an der sich außer ihr niemand zu stoßen schien. Sie gab dem Hausmeisterpaar den Auftrag, ein Dutzend Leute als zusätzliche Hilfen einzustellen. Doch wie immer bei solchen Projekten wuchsen Gerümpel und Schmutz im Lauf der Arbeit. Staub und Spinnweben erfüllten die Luft. Um diesem Tohuwabohu zu entgehen, hatte sie den Einkaufsbummel vorgeschlagen. Außerdem fehlte in der Stadt auch die ständige Gefahr, um eine Ecke zu biegen und Lord Sinclair in die Arme zu laufen.
Der Hind Div war nicht tot! Sondern in London und wohnte mit ihr unter einem Dach. Ein völlig anderer Mensch, gewiss - doch einer, dem früher oder später einfallen würde, wann, wie und wo sie einander schon begegnet waren. Als ob ihre letzte Begegnung nicht peinlich genug gewesen wäre!
Japonica schauderte noch immer, wenn sie daran dachte. Bersham hatte sie am nächsten Morgen im Bett Seiner Lordschaft schlafend angetroffen! Sie hatte nicht einschlafen, ihn nur wärmen wollen, bis das Zittern nachließ. Doch die Nacht war sehr kalt und der Raum so dunkel; obendrein war es ihr so natürlich erschienen ...
Japonica drehte sich rasch um und blickte in der Hoffnung aus dem Ladenfenster, niemand würde ihr Erröten bemerken.
Jamies Vater lebte! Trotzdem durfte er es nie erfahren.
Dieser Gedanke hatte zu einer so großen Nervenanspannung geführt, dass sie in den letzten Tagen kaum ihren Verstand beisammenhalten konnte. Die Tatsache, dass Lord Sinclair angeordnet hatte, niemand außer Bersham dürfe das Krankenzimmer betreten, erleichterte ihr Dilemma nicht. Früher oder später würde sich sein Gedächtnis klären und dann würde sie ihm unter die Augen treten müssen. Es sei denn, sie verließ London sofort.
So feige war sie nicht, hatte
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