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Arabische Nächte

Arabische Nächte

Titel: Arabische Nächte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Parker
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war, um Widerstand zu leisten. Die Augen des Hind Div !
    Drei Herzschläge lang spürte sie, wie ein Gefühlssturm sie zu einem Bett in einen anderen verdunkelten Raum in ein fernes Land entführte. Diese Augen hatten sie gelockt und geneckt und verführt; sie hatten sie herausgefordert und sie zu der ersten Tollkühnheit in ihrem bis dahin ganz gewöhnlichen Dasein getrieben.
    Die kalte feuchte Welt wich zurück, und der Duft von Weihrauch und exotischen Parfüms erfüllte den Raum. Sanfte Töne wehten heran, Harfenklänge, Tamburinschläge ...
    »Nein!« In Panik hielt sie die Hände vor die Augen. Das durfte nicht sein!
    »Was ist, Mylady?«
    Die tonlose Frage in prosaischem Englisch bewirkte, dass sie sich einen Ruck gab.
    Im Eingang standen Bersham und die Frau des Hausmeisters. Die Welt kam wieder ins Lot. Ihre Fantasie hatte ihr einen Streich gespielt. Das konnte nicht der Hind Div sein. Das war Lord Sinclair, der neue Viscount.
    »Nichts Schlimmes«, beschwichtigte sie.
    Nichts Schlimmes. Die Worte hallten in ihrem Bewusstsein nach. Doch ihr Puls und ihr Mut glaubten ihrem Kopf nicht. Beide galoppierten davon, vom Schock getrieben, während ihre Beine, unter dem Drang zu fliehen, zitterten.
    Bei dem Aufstöhnen vom Bett her drehte sie sich um.
    »Unmöglich«, flüsterte sie, und zwang sich, den Kranken nochmals ins Auge zu fassen. Wenn sie die Wahrheit wissen wollte, musste sie ihn ein zweites Mal ansehen. Sie griff nach ihrer Kerze und näherte sich ihm beherzt.
    Knapp außerhalb seiner Reichweite blieb sie stehen und starrte ihn an, scheu und wachsam wie eine Antilope am Rand einer Lichtung. Je länger sie ihn anstarrte, desto weniger war sie sich ihrer Instinkte sicher.
    Sie hatte das Antlitz des Hind Div ja nicht richtig gesehen. Unter einer Tschita-Bemalung hätte sich jedes Gesicht verbergen können. Doch gab es Unterschiede. Die Haut des Hind Div war von der Wüstensonne gebräunt. Als sie die Kerze näher hielt und die Schatten wichen, sah sie, dass sie sich in der Färbung des Mannes geirrt hatte. Er war so bleich wie das Laken, auf dem sein Kopf ruhte. Sein vor Schmerz verzerrter Mund glich in nichts jenem, dessen Küsse sie noch immer zu spüren vermeinte. In ihrer Erinnerung sah sie sein rabenschwarzes langes Haar vor sich. Ein daumenbreiter silberner Streifen zog sich durch Lord Sinclairs kurzen dunklen Schopf.
    Das Bestreben, alles abzustreiten, lieferte ihrem ersten Urteil immer neue Entschuldigungen und Gegenargumente. Viele Engländer, meist Armeeoffiziere, kamen nach Persien. Wer dafür begabt war, erlernte die im Umland des Stützpunktes gesprochene Sprache. Dass er ein paar Sätze davon beherrschte, war daher nicht ungewöhnlich. Der Mann, der hier so schwach und elend lag, glich in nichts der kraftvollen und blendenden Erscheinung, die sie im Gedächtnis hatte. Die Augenfarbe war ein Zufall. Ansonsten glich er in nichts dem Mann, dessen Bett sie, von seiner Leidenschaft mitgerissen, geteilt hatte.
    Fast war sie schon überzeugt - als er die Augen aufschlug und ihrem Blick begegnete. Wieder wurde sie von Panik erfasst, angesichts dieses braunen Golds. Konnte man so einen Blick mit einem anderen verwechseln, wenn man ihn jemals gesehen hatte? Wer war dieser Mann?
    Zu ihrer Verwunderung sah er als Erster weg. »Ach , peri, du bist gekommen, mich zu narren.«
    Träumte er? Sie wusste es nicht.
    »Ich bin keine Fee, hurra sahib!« Sie streckte die Hand aus und strich mit den Fingern leicht über seine feuchte Stirn. »Fühle meine Berührung! Wir beide sind wirklich.« Und da er wirklich war, konnte er nicht der Hind Div sein, setzte sie in Gedanken hinzu.
    »Welche Qualen leide ich ...«Er schluckte schwer. Als er sie diesmal anschaute, schienen seine rot geränderten Augen an ihr vorüber in Gefilde zu wandern, die jenseits ihres Vorstellungsvermögens lagen. »Niemand kann mir helfen!«
    »Da Allah es will, werde ich es versuchen.« Sie wusste nicht, warum sie fortfuhren, Persisch zu sprechen; doch schien die Sprache ihm Trost zu spenden.
    Als er versuchte, sich auf einen Ellbogen aufzustützen, waren es die langsamen, unbeholfenen Bewegungen eines Menschen, der Schmerzen leidet. »Ich muss fliehen!« Er sprach die Worte so leise, dass sie nicht sicher war, ob sie ihn richtig verstanden hatte.
    »Fliehen?« Der Traum hatte sein Bewusstsein wohl noch im Griff. »Aber Ihr seid hier zu Hause.«
    »Lügen!« Schweißnass und zitternd brach er auf seinem Lager zusammen.
    Der Drang zu trösten

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