Arabische Nächte
Empfindlichkeit begründet oder waren es die Anfänge eines unbeherrschbaren Tobsuchtsanfalls? Mit der aufrichtigen Hoffnung, es würde Ersteres sein, sagte sie: »Sie forderten die ungeschminkte Wahrheit von mir. Wenn Sie darüber nicht sprechen wollen, hätten Sie das Thema nicht anschneiden sollen.«
Devlyn wandte sich ab. Während er den Arm mit dem Rand des Hemdsärmels verhüllte, überlegte er, wie er dieses neue Wissen über sie zu seinem Vorteil verwenden konnte. Als er sich wieder ihr gegenübersetzte, hatte er eine Idee.
Er berührte seine Stirnnarbe. »Es hieß, dass der Hieb, der meinen Schädel spaltete, mich zu einem Irren machte ... Was sagen Sie dazu?«
»Dass Sie Glück haben, am Leben und bei Verstand zu sein.«
»Woher wollen Sie wissen, dass mein Verstand nicht gelitten hat? Ich könnte vorher ein ganz anderer Mensch gewesen sein.«
»Ja, vielleicht irre ich mich.« Sie wusste, was für ein Mensch er einmal gewesen war, doch würde sie ihm nicht zu diesen Erinnerungen verhelfen. »Ich muss gestehen, dass der Gedanke an Wahnsinn manches erklären würde ... vor allem den Mangel an Freundlichkeit und Takt ... Ihr rüdes und angriffslustiges Benehmen!«
Brummend lehnte Devlyn sich zurück, den Blick hinter halb gesenkten Lidern verborgen. Auch wenn sie das falscheste Weibsbild in ganz England war, schien es ihm allzu lange her, seit eine Dame sich mit ihm auf ein Wortgefecht eingelassen hatte. Die meisten wichen seinem Blick aus, wenn sie seine Verstümmelung bemerkten. Den Übrigen war sein Äußeres so peinlich, dass es sie schüttelte. Nicht so Lady Abbott. Ihre ungewöhnliche Reaktion reizte ihn, und er war immer noch nicht bereit, sie gehen zu lassen.
»Wenn Sie schon bleiben, dann können Sie mir einen Gefallen tun und mir einen Port einschenken.«
Japonica erhob sich wortlos, um seiner Aufforderung nachzukommen.
Während sie mit Karaffe und Glas hantierte, beobachtete er sie, als ihm ein unerwarteter Gedanke durch den Kopf schoss. Ich begehre sie. Zum ersten Mal seit Monaten - oder Jahren? - erwachte in ihm pures Verlangen.
Auf einmal sah sie gar nicht mehr unscheinbar aus. Er ließ den Blick über sie gleiten, bemerkte die schmale Taille, die volle Rundung des Busens, als sie sich leicht vorbeugte, die Wölbung der Hüften, die sich unter ihrem Kleid abzeichnete. Ihre vollen Lippen waren ihm bereits aufgefallen - eine Fülle, in die er zu gern die Zähne versenkt hätte.
Sie kannten einander, waren einander zweimal begegnet. Das hatte sie zu Beginn des Gespräches erwähnt. War sie beleidigt, weil er sich nicht an sie erinnern konnte? Oder hatte er nur vergessen, wie gut er sie einst kannte? Diese Vorstellung ließ ihn nicht mehr los. Die auffallenden, roten Locken hatte er doch irgendwie im Hinterkopf ... auch die trotzige Art, wie sie mit ihm sprach.
Undeutliche Erinnerung rührte sich im Nebel seines Bewusstseins. Fast sofort ließ sein Gedächtnis ihn wieder im Stich, bescherte ihm stattdessen die ersten dumpf-dröhnenden Ansätze von Kopfschmerz.
Als sie sich umdrehte, um ihm das Glas zu reichen, weckte etwas Neues seine Aufmerksamkeit. »Was tragen Sie da?«
»Ein ganz gewöhnliches Kleid«, sagte sie mit zweifelndem Blick.
»Ich meine Ihren Duft.« Er beugte sich vor, um noch etwas davon mitzubekommen, während sie hastig rücklings auswich. »Was ist das?«
»Ach das.« Verlegen berührte sie ihre Wange und dann den winzigen Goldreif mit Perle, den sie am Ohr trug. »Ein Duft, den ich selbst schuf. Die Essenz ist von Cyprinum.«
»Die Henna-Blüte?« Devlyn machte große Augen. »Seit wann tragen Engländerinnen solche ...« Langsam atmete er ihr blumiges Parfüm ein, das vielfache Visionen von Verführung hervorrief, eine erregender als die andere. »Fantastisch«, urteilte er schließlich. »Was für ein betörender Duft!«
Einen flüchtigen Moment sah Japonica Begehren in seinen Augen, das Begehren des Hind Div.
»Dieser Duft erinnert mich ...«
Sie hielt den Atem an, während sich seine Miene vor Anstrengung verzerrte. Würde es ihm einfallen? Seit Monaten hatte sie ihren persönlichen Duft nicht mehr benutzt, da er Ja-mie störte. Um sich Mut zu machen, hatte sie nur heute ein wenig der duftenden Pomade auf Handgelenk und Halsbeuge aufgetragen. Wenn die sie nun verriet...
»... ich komme nicht dahinter«, gab er zu; seine Miene aber zeigte, dass er weiter in seinem Gedächtnis kramte.
»Vielleicht haben Sie es in den letzten Tagen in den Korridoren
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