ARALORN - Der Verrat (German Edition)
Zauberer holte tief Luft, doch seine Stimme bebte noch immer, als er weitersprach. »Ich war dort in jener Nacht. Ich erwachte in meiner Kammer neben der Leiche der Frau …« Er schaute zu Aralorn, den Blick voll unterdrückter Wut. »… der Frau, die Ihr mit Cains Stab getötet hattet. Etwa eine halbe Stunde später spürte ich, dass Geoffreys Griff um die Meisterzauber sich löste. Ich hätte ihn retten können, wenn ich früher gehandelt hätte.«
Die Stimme des Erzmagiers war erfüllt von Trauer und Zorn. Er schien ganz gefangen in seiner schier unerschütterlichen Loyalität für Geoffrey ae’Magi und für den Moment vergessen zu haben, dass er allen Grund hätte, an dessen Tugenden zu zweifeln.
»Es war besser, dass Ihr es nicht getan habt«, sagte Aralorn und hoffte, ihn aus dem Dunstkreis des Zaubereffekts reißen zu können, bevor er den Drang verspürte, sie anzugreifen. Es funktionierte nicht.
Kisrahs Augen blitzten auf vor Wut. »Er war mein Freund, und Ihr habt ihn getötet.« Er drehte sich abrupt zu Wolf um; sein Pferd schnaubte erschrocken auf. »Ich kenne Euch, Cain. Ich weiß, was Ihr getan habt. Ich habe die Farbe der Magie gesehen, derer Ihr Euch bedient, und sie stinkt nach dem Bösen. Warum also sollte ich glauben, was Ihr mir über Euren Vater weiszumachen versucht?«
»Und doch habt Ihr selbst schwarze Magie für Geoffrey ae’Magi gewirkt, nicht wahr?«, sagte Aralorn kalt. Kisrahs verbaler Schlag gegen Cain machte sie wütend. »Genau wie Cain es getan hat. War es eine Ziege oder ein Huhn, das Ihr getötet habt? Haltet Ihr Euch wirklich für etwas Besseres, nur weil Ihr kein menschliches Blut vergossen habt? Nur weil Ihr wisst, was Cain getan hat, unterstellt ihr ihm, dass er noch viel mehr getan hat. Unterstellt ihm, dass er mordete, vergewaltigte, folterte und verstümmelte. Aber bildet Euch nicht zu viel darauf ein – wenn wir diesen Bann nicht innerhalb der nächsten zwei Wochen brechen können, stirbt mein Vater. Er wird sterben, weil Ihr beschlossen hattet, ein bisschen mit schwarzer Magie herumzuspielen. Weil Geoffreys Geist Euch instruiert hat, wie man den Tod benutzt, um Macht an sich zu reißen. Mehr Macht, als Ihr ohne schwarze Magie je imstande sein werdet, auf Euch zu vereinen. Und aus dem Wunsch heraus, Rache zu üben, ist es Euch nur allzu leicht gefallen, Eure lebenslangen Skrupel über Bord zu werfen, habe ich recht? Aber Ihr seid ein erwachsener Mann, der einst gelernt hat, Falsch von Richtig zu unterscheiden, von Menschen, die Euch liebten, und nicht von einem –«
»Genug, Aralorn«, unterbrach Wolf sie sanft.
Sie schluckte das Wort herunter, das Cain womöglich mehr verletzt hätte als Kisrah. »Verzeihung«, sagte sie.
»Nein«, sagte Kisrah, der offenbar annahm, die Entschuldigung gelte ihm. »Ihr habt recht. Hinsichtlich dessen, was ich getan habe und warum ich es getan habe.« Er sah Wolf an. »Aber das heißt nicht, dass es richtig war, was Ihr getan habt. Es heißt nur, dass ich mich wegen ähnlicher Taten zu verantworten habe.«
Wolf zuckte die Achseln, als klar wurde, dass Kisrah dem nichts mehr hinzuzufügen hatte. »Seit ich Geoffrey verließ, habe ich keine schwarze Magie mehr gewirkt, und Ihr werdet diesbezüglich auch keinerlei Spuren an mir finden. Was ich getan habe, dafür stehe ich ein – aber für mehr auch nicht. Und wenn Ihr noch immer denkt, wir hätten Euch in Bezug auf die Taten und Ziele des ae’Magi belogen, dann seid Ihr ein Narr.« Wolf bückte sich und hob den Rubinring auf. »Den hat Euch mein Vater gegeben. Ihr kennt nun den Zauber, den er barg, ebenso gut wie ich – Ihr habt ihn ja selbst gebrochen. Warum sollte mein Vater so etwas brauchen, wenn nicht aus dem Grund, den wir Euch genannt haben?«
»Ich wäre doch ein Narr«, sagte Kisrah leise, ohne dem Ring weitere Beachtung zu schenken, »blind ein weiteres Mal in eine mögliche Falle zu tappen, wenn ich meine Überzeugungen erst einmal in Frage gestellt hätte. Gebt mir Zeit, über unser Gespräch nachzudenken. Ich kenne Geoffrey fast mein ganzes Leben. Er war mehr für mich als nur ein Mentor.« Er spannte seine Hände um die Zügel. »Das Mädchen, das Aralorn in jener Nacht tötete, als Ihr Geoffrey vernichtet habt – sie hieß Amethyst und war gerade mal zwanzig Jahre alt.«
»Erinnert Ihr Euch noch an das Ding, auf das Ihr im Kerker gestoßen wart?« Wolfs Stimme war so heiser, dass Aralorn die Worte im Wind kaum verstehen konnte.
»Ja«, sagte der Erzmagier.
Weitere Kostenlose Bücher