ARALORN - Die Wandlerin: Roman (German Edition)
hatte gar nicht gewusst, dass sie auch die umgekehrte Variante beherrschte.
Wie sie vorhergesagt hatte, schienen die Flüchtlinge durch ihre Geschichte ermutigt, und niemand stellte sich die Frage, wie lange die freundliche Haltung des Alten Mannes ihnen gegenüber wohl andauern würde. Hier und jetzt wünschten sie sich ein Wunder, und Aralorn lieferte ihnen eins.
Auf Wolfs auffordernden Blick hin folgte ihm Myr, Aralorn ihrer Arbeit überlassend, aus der Höhle hinaus.
»Könnte sein, dass wir für eine Weile hier festsitzen«, informierte Wolf Myr. »Sie mögen vielleicht nicht reinkommen, aber es lässt sich unmöglich sagen, wie lange sie unsere Tür anheulen werden. Haben wir genügend Proviant, dass es für eine Woche oder so reicht?« Es konnte vielleicht nicht schaden, ein wenig mehr bei der Sache zu sein, aber es war anstrengend, sich ständig daran zu erinnern, dass er diese Menschen gern haben sollte . Er versuchte … jemand anderer zu sein, als er war. Jemand, auf den Aralorn stolz sein konnte. Doch keine Frage, wenn ihr etwas zustieß, verlöre auch alles andere für ihn seinen Sinn.
Myr zuckte die Achseln. »Getreide haben wir mehr als genug, so viel, dass es für Mensch und Tier mühelos bis zum nächsten Sommer reicht. Woran es hapert, ist Fleisch, deshalb hab ich heute Morgen ja auch den Jagdtrupp losgeschickt. Aber anstatt mit erlegtem Wild sind sie mit den Uriah zurückgekehrt. Für ein, zwei Wochen kommen wir noch ohne aus. Sollte ein Monat daraus werden, können wir immer noch eine Ziege oder ein Schaf schlachten. Zu unserem wahren Problem dürften die allgemeine Moral und die Unratentsorgung werden.«
Wolf nickte. »Das mit der Moral müssen wir nehmen, wie es kommt. Was die Unratsituation angeht, lässt sich vielleicht etwas machen. Die versperrten Tunnel, wo ihr euer Getreide lagert, führen zu einer Höhle mit einem so tiefen Loch im Boden, dass man einen Felsbrocken reinwerfen kann, ohne ihn unten aufschlagen zu hören. Es ist einigermaßen schmal, also sollte es möglich sein, irgendeine Art von Gerüst darüber zu konstruieren, damit die Leute nicht reinplumpsen.« Das Lösen vergleichsweise alltäglicher Probleme half ihm, seine innere Balance zu bewahren.
»Da wird Aralorn sehr erleichtert sein«, bemerkte Myr. Zum ersten Mal, seit er vom Auftauchen der Uriah gehört hatte, erhellte ein Lächeln seine erschöpften Züge. »Sie hatte echte Sorge, dass sie, bevor das hier alles vorbei ist, noch zum Buddeln von Latrinen verdonnert werden würde.« Er lachte leise auf und strich sich das Haar aus dem Gesicht. »Ich sollte besser gleich danach fragen. Besteht die Gefahr, dass die Uriah einen anderen Eingang finden könnten, durch den sie hier reinkommen?«
»Kann schon sein«, erwiderte Wolf und setzte sich Richtung Aralorn in Bewegung, die inzwischen ihre Geschichte zu Ende erzählt hatte und jetzt, wie ihm schien, vor Schwäche ein wenig schwankte. »Aber der Alte Mann ist schon länger hier als wir. Wenn dieser Eingang geschützt ist, vermute ich mal, sind es sämtliche anderen auch.«
Draußen vor der Höhle wurden die Uriah stiller und sanken auf die Knie, als aus der Ferne ein Reiter erschien. Sein Pferd schäumte und schwitzte und zeigte aus Angst vor den Uriah das Weiß seiner Augen. Doch es hatte gelernt, seinem Reiter zu vertrauen, und Lord Kisrah war sorgsam darauf bedacht, die Uriah mittels der Beherrschungszauber, die ihn der ae’Magi gelehrt hatte, vollkommen regungslos zu halten.
Am Eingang zur Höhle stieg er ab. Er konnte die Runen gleich hinter der Felsöffnung erkennen, kam jedoch nicht heran, um ihnen ihre Kraft zu rauben.
Kurzerhand zeichnete er ein Symbol in die Luft, das blass gelblich erglühte und den Eingang sodann mühelos passierte. Gerade als das Symbol eine der Runen berührte und zu zischen begann, trat im Innern der Höhle ein Mann aus den Schatten und näherte sich dem Eingang.
»Ihr seid nicht willkommen, verlasst diesen Ort«, sagte er. Im Licht wirkte der Mann von fast überirdischer Schönheit, und Lord Kisrah stockte vor Bewunderung beinahe der Atem. Dann füllte sich der Eingang jäh mit Flammen, und die Hitze brannte bestialisch heiß auf seinem Gesicht.
Kisrah wich zurück und versuchte das Feuer niederzuringen, doch vergebens. Bei seinem dritten Anlauf begannen sich, da sein Griff auf sie schwächer wurde, die Uriah zu rühren. Fluchend ließ er von seinem Tun ab. Er führte sein Pferd wieder zurück durch die Uriah zu einer Stelle, wo
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