ARALORN - Die Wandlerin: Roman (German Edition)
weiteres Bücherregal entflammte mehr im magischen Feuer. Und als Wolfs Hand ihr Haar berührte, wusste Aralorn, dass alles wieder gut werden würde. Für diesmal.
Mit stetigem Tempo trabte Aralorn durch die Tunnel. Nur hin und wieder, wenn sie außer Atem geriet, verfiel sie in einen langsameren Schritt – was ihrem Empfinden nach zu häufig der Fall war. Doch allmählich kehrten ihre Kräfte zurück, und sie musste deutlich seltener pausieren als noch am Tag zuvor. Jeden Morgen und jeden Abend war sie die letzten vier Tage von der Bibliothek bis zum Eingang durch die Tunnel gerannt, um ihre alte Kondition wiederherzustellen. Und um, nicht zuletzt, ihre Kenntnisse darüber, wie man in dem Höhlensystem von einem Ort zum anderen gelangte, zu verbessern.
Auch heute begegnete ihr unterwegs keine Menschenseele. Die Bibliothek befand sich ein gutes Stück von der Haupthöhle entfernt, und der Großteil der Lagerbewohner nahmen Wolfs Behauptung, dass der Alte Mann vom Berge sie nicht in den anderen Tunneln haben wolle, sehr ernst. Aralorn vermutete allerdings, dass Wolf einfach keine Lust hatte, seine Zeit mit der Suche nach verirrten Herumstreunern zu verplempern, denn bis jetzt hatte sie noch kein Anzeichen dafür entdecken können, dass der Alte Mann gegen irgendjemandes Anwesenheit etwas einzuwenden hatte. Obwohl der Weg zur Bibliothek gewissenhaft gekennzeichnet war und als Teil der in Beschlag genommenen Höhlen angesehen wurde, kam es tatsächlich eher selten vor, dass es jemand anderen hierher verschlug als Wolf oder Stanis oder sie selbst.
Wolf behauptete, sie fürchteten den Zorn des Alten Mannes. Myr hingegen war der Auffassung, dass es Wolf war, vor dem sie Angst hatten – und wahrscheinlich hatte Myr recht.
Lediglich Oras hatte das Verbot, in die inneren Höhlen zu gehen, ignoriert. Zweimal. Beim ersten Mal hatte Myr ihn zurückgebracht. Beim zweiten Mal war Wolf ihm gefolgt. Wolf weigerte sich beharrlich, Aralorn zu erzählen, was er mit ihm gemacht hatte, und Oras hatte auch kein Wort darüber verloren, aber der Adlige hatte bei seiner Rückkehr kreidebleich ausgesehen und war seitdem überraschend kleinlaut.
Als sie die äußeren Höhlen erreichte, wechselte sie in ein langsameres Schritttempo. Es liefen zu viele Leute hier herum, um wie eine Irre durch die Tunnel zu rennen. Als sie in den Gang einbog, der nach draußen führte, war das erste, das ihr auffiel, das Geräusch ihrer eigenen Tritte. Es dauerte einen Moment, bis sie begriff, dass der Grund dafür, dass sie überhaupt hören konnte, das Fehlen des Uriahgeheuls war.
Und tatsächlich war, als sie am Eingang ankam, von ihren Belagerern weit und breit nichts mehr zu sehen. Das Feuerholz, das Myr nahe des Eingangs hatte aufschichten lassen, war noch immer nicht entzündet.
Vorsichtig trat sie nach draußen, bereit, jeden Moment zurückzuspringen, falls irgendwelche Uriah ihr auflauerten. Nach so vielen Tagen in der Höhle machte das Sonnenlicht sie fast blind. Die Luft roch frisch und rein; verflogen war der unverwechselbare Gestank, der die Uriah auf Schritt und Tritt begleitete. Allein der Geruch nach verbranntem Gras und verkohlten anderen Dingen störte den Duft der in der Nähe stehenden Fichten.
Es sah aus, als hätte der Höhleneingang einen Feuerball ausgespien. Ein breiter, geschwärzter Pfad zog sich von der Felsöffnung aus über Erde und Gras und setzte sich in gerader Linie fort, bevor er sich in einiger Entfernung verlor. Innerhalb des geschwärzten Bereichs lagen zehn oder fünfzehn Uriahkadaver, eingeäschert bis auf die Knochen. Ein paar weitere waren weniger verkohlt, doch dafür hatte irgendetwas anderes als Feuer an ihnen genagt.
Aralorn folgte der schwarzen Schneise hinauf in die Berge und stellte fest, dass sie auf einer weiten, ebenen Fläche abrupt abbrach. Sie machte kehrt und war bereits wieder ein gutes Stück den Hang hinunter, als ihr jäh aufging, dass sie möglicherweise in die falsche Richtung dachte. Was, wenn der Feuerball nicht aus der Höhle gekommen, sondern auf sie abgeschossen worden war? Murmelnd trottete sie zu der Stelle zurück, wo der Aschepfad aufhörte.
Spurenlesen war nicht unbedingt ihre Stärke, aber trotzdem dauerte es nicht lange, da hatte sie das, was sie suchte, gefunden. Nachdem sie erst einmal wusste, wonach sie Ausschau halten musste, waren sie nicht zu übersehen – riesige, reptilienartige Fußstapfen mit Schleifspuren in einigem Abstand, die von herabhängenden Schwingen stammen
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