ARALORN - Die Wandlerin: Roman (German Edition)
könnten. Genau wie die, die sie an jenem Tag, als sie von den Uriah ergriffen worden war, gesehen hatte.
»Nun denn, Myr«, sagte sie nachdenklich und ging zurück, um sich eine der halb abgenagten Leichen näher anzuschauen. Das hatte sie sich bisher erspart, weil sie angenommen hatte, dass die Uriah bloß wieder einmal ihren üblichen Kannibalismus betrieben hatten. Doch nach eingehenderer Untersuchung konnte sie mit Gewissheit sagen, dass etwas wesentlich Größeres sich an ihnen gütlich getan hatte. »Ich schätze, ich weiß jetzt, was Drachen fressen, wenn keine an Felsen gefesselte Jungfrauen im Angebot sind.«
»Also schön«, sagte Myr, nachdem Aralorn ihm von ihrer Entdeckung berichtet hatte. Die Haupthöhle war so gut wie menschenleer. Myr hatte einen Trupp losgeschickt, um nach den Jägern zu suchen, die seit dem Eintreffen der Uriah vermisst wurden, und eine zweite Gruppe war unterwegs, um die Proviantvorräte aufzustocken. Die restlichen Leute hatte er auf diverse Beobachtungsposten abkommandiert.
Er rieb sich die Augen und schaute sie an. »Und jetzt? Wir haben die Uriah gegen einen Drachen eingetauscht. Damit stellt sich natürlich die Frage, ist das gut oder schlecht?«
»Drachen machen nicht so viel Krach und riechen besser.« Aralorn lehnte sich gegen die Höhlenwand und sah Myr beim Auf- und Abschreiten zu.
»Aber über die Uriah wissen wir zumindest irgendetwas «, lamentierte Myr. »Meine Güte, ein Drache. Es sollte eigentlich gar keine Drachen mehr geben .« Er unterbrach sich, als wildes Jubelgeschrei in der Höhle widerhallte, gefolgt von den vermissten Jägern und dem Suchtrupp – sie alle wirkten durchgefroren und erschöpft.
Nach der Begrüßung erzählte Farsi, der den Jagdtrupp angeführt hatte, ihre Geschichte. »Wir waren auf eine Herde Bergschafe gestoßen und hatten zwei von ihnen erlegt. Also machten wir uns wieder auf den Heimweg. Etwa auf halbem Wege stolperten wir über ein paar Spuren, die den Eindruck erweckten, als ob eine ganze Armee da oben rumtrampeln würde. Wir folgten ihnen, und es dauerte nicht lange, da konnten wir sie schon riechen. Es waren die Uriah. Da sie in gleicher Richtung wie wir unterwegs waren, lag es auf der Hand, dass die Biester es auf unseren Unterschlupf abgesehen hatten.
Um irgendetwas zu unternehmen, war es zu spät, also sind wir die Bergflanke hinaufgekraxelt, bis wir die Uriah im Blick hatten. Die Höhle selbst konnten wir zwar nicht sehen, aber daran, wie sie davor herumrannten, erkannten wir, dass ihr irgendeine Möglichkeit gefunden hattet, sie euch vom Leibe zu halten. Wir kamen zu dem Schluss, dass wir nichts anderes tun konnten als warten. Unser Aussichtspunkt war weit genug entfernt, dass die Wahrscheinlichkeit, von den Uriah entdeckt zu werden, nicht sonderlich groß war.«
Farsi räusperte sich. »Dann gestern, spät in der Nacht – kurz nachdem der Mond untergegangen war – hörte ich einen Schrei wie von einem Schwan, nur tiefer. Ich hatte gerade Wache, und er war nicht laut genug, um jemand anderen aufzuwecken. Irgendetwas Großes flog über uns hinweg, aber ich konnte es nicht richtig erkennen. Kurz darauf sah ich hier unten einen Blitz aus goldenem Feuer und hörte, wie das Getöse, das die Uriah machten, lauter wurde. Dann wurde es mit einem Mal verdächtig ruhig. Ich weckte ein paar der anderen, und nach einigem Hin und Her hielten wir es schließlich für das Beste, zu warten, bis es hell wurde und wir sehen konnten, was passiert war.« Er runzelte die Stirn, offensichtlich immer noch unglücklich über diese Entscheidung. »Bloß, was immer es auch gewesen sein mochte, der Stille nach zu schließen, die ihm folgte, war es bereits geschehen.«
Myr nickte verstehend. »Klug und vernünftig, bis Tagesanbruch zu warten, vor allem, wenn Uriah in der Gegend sind.«
Farsi machte den Eindruck, als hätte ihm jemand eine Zentnerlast von den Schultern genommen. »Heute früh sah es so aus, als ob sich die Uriah zurückgezogen hätten, also machten wir uns an den Abstieg. Der Grund, warum wir so lange gebraucht haben, ist, dass immer noch jede Menge Uriah hier rumstreunen. Wir haben zwei Trupps von den Biestern umgangen und wären dabei um ein Haar in einen dritten gerannt. Hat schon was für sich, dass sie so stinken, sonst hätten wir’s am Ende überhaupt nicht geschafft.«
Im Verlauf der nächsten Tage wurde offensichtlich, dass, falls die Uriah dem Willen des ae’Magi unterworfen gewesen waren, dies nicht länger der
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