ARALORN - Die Wandlerin: Roman (German Edition)
die er nun trug, so etwas wie eine Magierrüstung waren.
Als er mit dem Ankleiden fertig war, setzte er sie zurück auf seine Schulter und schritt von der Lichtung wie ein Mann, dessen heiß ersehntes Ziel endlich in greifbare Nähe gerückt war. Während des Gehens sprach er zu ihr.
»Zuerst hatte ich vor, ihm in der Burg selbst gegenüberzutreten, aber sie ist das Zentrum von so viel Magie gewesen, dass ich nicht weiß, wie sich mein Zauber auf sie auswirken würde. Ich nehme an, dass etwas von der Konstruktion der älteren Gebäudeteile ausschließlich mittels Magie geschaffen wurde. Nimmt man die Magie weg, könnten sie uns auf den Kopf fallen. Ich weiß ja nicht, wie du dazu stehst, aber ich dachte, es könnte ganz interessant sein, lange genug zu überleben, um herauszufinden, wie die treuen Anhänger des ae’Magi auf seine Ermordung reagieren. Das heißt, wenn wir überhaupt so weit kommen.«
»Den Aspekt hatte ich völlig außer Acht gelassen«, erwiderte Aralorn mit der piepsig-leisen Stimme, die das Maximum dessen war, was ihre Mäusegestalt hervorzubringen vermochte. »Werden seine Bannzauber in Kraft bleiben, wenn er stirbt?«
»Wahrscheinlich nicht, aber die Leute werden sich an das, was sie empfunden haben, immer noch erinnern. Wir bleiben in dieser Geschichte auf jeden Fall die Bösewichte.« Mühelos sprang Wolf über einen kleinen Bach.
»Au fein!«, rief sie aus und hielt sich mit ihren Vorderpfoten fest. »Ich wollte schon immer mal ’n Bösewicht sein.«
»Schön, dass ich Gräfin Maus zu Diensten sein kann.«
»Äh, Wolf?«, fragte sie.
»Hmm?«
»Wenn wir nicht zur Burg gehen, wohin gehen wir dann?«
»Nun ja«, sagte er, während er einen kleinen Abhang hinunterrutschte, »als ich noch in der Burg gelebt hab, pflegte er immer jeden Abend zum Meditieren hinauszugehen. In der Burg mochte er das nicht tun, weil es dort, wie er meinte, zu viele störende Auren gebe – zu viele von Magie durchdrungene Menschen hätten in den letzten tausend Jahren oder so darin gelebt und seien dort gestorben. Es gibt eine Stelle etwas südlich vom Burggraben, die er immer ganz gerne aufgesucht hat. Wenn er nicht heute Abend da auftaucht, dann vielleicht morgen.«
Aralorn saß eine Weile ganz still, dachte an all die Dinge, die sie ihn niemals gefragt hatte, vielleicht niemals Gelegenheit haben würde, ihn zu fragen. »Wolf?«
»Ja?«
»Ist deine Stimme eigentlich immer schon so gewesen?«
»Nein.« Sie dachte schon, dass das alles war, was sie an Antwort erhalten würde, als er hinzufügte: »Als ich aufgewacht bin, nachdem ich den größten Teil des Turms zerschmolzen hatte« – er deutete auf eine der anmutigen Spitzen, die in den Abendhimmel ragten –, »hab ich so laut geschrien, dass ich mir dabei meine Stimme ruiniert hab. Aber sie ist auch ganz praktisch, wenn man jemandem Angst machen will.«
»Wolf«, sagte Aralorn und legte mutig eine Pfote an sein Ohr, da sie sich auf relativ ebenem Gelände befanden, »ich will ja keine schlechte Stimmung aufkommen lassen, aber deine Stimme ist es nicht, was den Leuten Angst macht. Womöglich hängt es damit zusammen, dass du jeden gleich abfackelst, der dir auf die Nerven geht.«
»Meinst du?«, fragte er mit gespieltem Interesse. »Und ich hatte mich schon gewundert. Ist doch schon ’ne ganze Weile her, dass ich jemanden eingeäschert hab.«
Sie lachte und blickte zu der Burg hinüber, die sich düster vor dem hellen Himmel erhob. Sie hatte das komische Gefühl, dass sie irgendjemand beobachtete. Sie wusste, dass sie sich das nur einbildete, aber nichtsdestotrotz war sie froh, dass sie eine Maus war. Und noch froher war sie, eine Maus auf Wolfs Schulter zu sein. Sie lehnte sich leicht an seinen Hals.
An der wachsenden Anspannung der Muskeln unter seinem Hemd erkannte sie, dass die Stelle, von der Wolf gesprochen hatte, nicht mehr weit war. Eine vagabundierende Windböe trug den strengen Geruch des Burggrabens heran, der den Duft des ringsum wachsenden Grüns vollends erstickte. Fast hätte er den anderen Gestank, der ihr nun in die Nase stieg, überdeckt.
»Wolf!«, sagte Aralorn mit eindringlichem Flüstern. »Uriah. Riechst du sie auch?«
Er blieb stehen. Seine dunklen Kleider ließen ihn fast mit der Umgebung verschmelzen. Die rituelle Säuberung hatte keinerlei Menschengeruch, der ihn verraten konnte, zurückgelassen, nur die scharf-süßlichen Gerüche von Kräutern. Selbst ein Uriah konnte in der Dunkelheit keine Spuren verfolgen,
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