ARALORN - Die Wandlerin: Roman (German Edition)
schon lange. Eigentlich war mir das klar. Ich hätte auf so was wie das hier eigentlich gefasst sein müssen.« Er neigte den Kopf. »Ich hätte vorher fragen sollen. Was er gesagt hat, Aralorn, ich muss es wissen. Als er dich auf der Burg gefangen gehalten hat, hat er dich …« Seine Stimme versagte vor Zorn.
»Nein«, beruhigte sie schnell. »Das hätte ich dir gerade vor einer Situation wie dieser erzählt, damit du dich nicht aufregst, wo du doch deine Gedanken beisammen haben musst. Das erste Mal, als ich in der Burg war, hat er an irgendeinem Zauber gearbeitet und musste daher mit seinen Energien haushalten. Ich war ganz schön enttäuscht«, fügte sie höhnisch hinzu, »aber schließlich muss sich eine Sklavin ja nach den Befindlichkeiten ihres Herrn und Meisters richten.«
Er hörte ihr zu. Also war sie auf dem richtigen Weg.
»Bei meinem zweiten Aufenthalt dann war er viel zu sehr daran interessiert, dich zu finden, als dass er sich von solchen Dingen davon hätte ablenken lassen. Du solltest dich nicht so von ihm manipulieren lassen.« In einer flüchtigen Liebkosung strich sie ihm mit ihrem Mäuseschwanz über den Hals. »Unter den damaligen Umständen hätte ich gelogen, das musst du wissen. Aber ich hätte niemals so etwas … Wichtiges vor dir verheimlicht, nachdem du mich da herausgeholt hast – ich glaube nicht, dass ich das gekonnt hätte.« Und das war so wahr gesprochen, wie sie sich wohlfühlte dabei – und es erfüllte seinen Zweck.
Seine Anspannung fiel ein wenig von ihm ab. »Du hast recht, Aralorn. Wollen wir in die Burg auf Zaubererjagd gehen? Vielleicht möchtest du aber auch lieber mit ein, zwei Uriah oder einem anderen Schoßtierchen meines Vaters beginnen. Ich glaube, es gibt ein paar, die du noch nicht gesehen hast. Würden gnädige Frau einer zahlenmäßigen Überlegenheit von ein- bis zweihundert gegen zwei den Vorzug geben, oder lieber doch nur einer von drei oder vier gegen zwei? Dieser Auftrag bietet die Möglichkeit zu beidem, ganz nach Eurem Geschmack.«
»Und dann«, entgegnete Aralorn, »sobald du dein Ziel erreicht hast, könnten wir es vielleicht noch so einrichten, dass die Burg praktischerweise auf uns drauf fällt. Auf diese Weise würden wir dann dem aufgebrachten Pöbel entgehen, den du vor Sklaverei und Schlimmerem bewahrt hast. Klingt interessant – packen wir’s an.« Sie hatte den Eindruck, dass Wolf lächelte, als er sich hügelabwärts wandte und fort von der Burg, aber das ließ sich von ihrem Blickwinkel aus nicht mit Bestimmtheit sagen.
Während Wolf sich weiter und weiter von der Burg entfernte, wurde der Wald zunehmend dichter. Irgendwo über ihnen ertönte der Ruf einer Eule, und Aralorn-die-Maus schmiegte sich enger an seinen Hals. »Viele widerliche Zeitgenossen hier in den Wäldern«, sagte sie mit piepsiger Stimme, der jeglicher Humor abhanden gekommen zu sein schien.
»Und ich«, entgegnete Wolf mit einem düsteren Tonfall, der Aralorn anzeigen sollte, dass es Zeit war, wieder ernster zu werden, »bin der widerlichste von allen.«
»Ehrlich?«, fragte Aralorn mit gespieltem Interesse. »Wie wunderbar, widerlich find ich gut.«
Wolf blieb stehen und schaute auf die Maus, die auf seiner Schulter saß, als könnte sie kein Wässerchen trüben. Die meisten Menschen duckten sich unter diesem Blick. Aralorn hingegen begann sich geschäftig die Schnurrhaare zu putzen. Nichtsdestotrotz fügte sie, als Wolf sich wieder in Bewegung setzte, hinzu: »Tu ich wirklich, kannst mir ruhig glauben.«
Wenig später traten sie aus einem besonders dichten Gestrüpp und auf einen schmalen Grasflecken hinaus. In dessen Zentrum befand sich ein anzüglich geformter Altar, der einem der alten Götter geweiht war. Er war so stark mit Moos und Flechten überwuchert, dass es nahezu unmöglich war, die ursprüngliche Farbe des Steins zu bestimmen. Es war nicht weiter ungewöhnlich, dass sie hier auf einen Altar stießen, dergleichen Überbleibsel aus Zeiten lange vor den Magierkriegen gab es allerorten. Allerdings wurde dieser Altar von zwei ungewöhnlich gestalteten Monolithen flankiert.
»Du liebe Güte«, sagte Aralorn belustigt und krabbelte auf Wolfs Arm ein Stückchen tiefer, um sich die Sache genauer anzusehen. »Sieh sich das einer an. Gleich zwei. Ich schätze, der Altar war für eine von den Fruchtbarkeitsgöttinnen, hm?«
Der südliche Monolith war ungefähr zur Hälfte abgebrochen, aber der nördliche stand so groß da wie ein Mann, und war auch von
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