ARALORN - Die Wandlerin: Roman (German Edition)
gab, das von einer Würdigung der Schönheit in kleinen Dingen zeugte: Ein bescheidener Felshöcker, der sich aus dem Boden erhob, war auf Hochglanz poliert. Ein großes Glasgefäß stand in einer sicheren Nische; die winzigen Brechungen, die wie ein Spinnennetz das Glas durchzogen, funkelten sogar in dem schummrigen Licht.
Wolf bewegte sich unruhig auf seinem Bett. Aralorn wartete, bis sie sicher war, dass er immer noch schlief, und kroch dann in den Rucksack nicht weit von dem Eingang, im Vertrauen darauf, dass die Stelle, an der er lag, bedeutete, dass Wolf ihn wohl mitnehmen würde.
Sie kauerte sich zwischen die diversen Gegenstände und blieb dann mucksmäuschenstill hocken. Sie musste nicht lange warten. Obwohl er gesagt hatte, er würde das Tal bei Morgengrauen verlassen, war sie nicht allzu verwundert darüber, dass er schon lange vorher aufbrach. Es war ziemlich offensichtlich gewesen, dass weder sie noch Myr sonderlich glücklich über seine Entscheidung gewesen waren, loszuziehen und sich alleine dem ae’Magi zu stellen.
Zu ihrer Erleichterung schnappte er sich den Rucksack und schwang ihn sich über die Schulter. Sie hatte keine Ahnung, was sie gemacht hätte, wäre es nicht so gewesen.
Im nächsten Moment spürte sie das heftige Schwindelgefühl, das den magischen Sprung von einem Ort zum anderen anzeigte. Als es wieder vorbei war, suchte sie sich rasch ein sicheres Eckchen, wo der hin und her geschüttelte Rucksackinhalt, der aus nichts anderem als harten, scharfkantigen Dingen zu bestehen schien, sie nicht totquetschen würde. Sogar in seiner menschlichen Gestalt bevorzugte Wolf als Gangart offensichtlich ein flottes Tempo.
Nachdem er eine Weile gerannt war, hatte er anscheinend einen Zielort erreicht, der sich einige Meilen vor der Burg befinden musste. Durchgerüttelt und geschunden, begann Aralorn die Entscheidung, ihn auf diese Weise zu begleiten, allmählich zu bereuen.
Als Wolf den Rucksack öffnete, war das Erste, worauf sein Blick fiel, die übel zugerichtete graue Maus, die ihn vorwurfsvoll ansah und sagte: »Wäre es denn wirklich zu viel verlangt gewesen, etwas Weiches wie zum Beispiel ein Hemd einzupacken?«
Er hätte überrascht sein sollen. Oder verärgert. Doch absurderweise war er einfach nur dankbar.
Er hob sie aus dem Ranzen und hielt sie in seiner Handfläche auf Augenhöhe. »Wenn jemand uneingeladen daherkommt, darf er sich nicht über die Unterbringungsmöglichkeiten beschweren.«
»Ach du liebe Zeit«, entgegnete die Maus erschrocken. »Ich hoffe, ich störe nicht.«
Er nahm die silberne Maske ab und setzte sich mit überkreuzten Beinen auf den Boden – sorgsam darauf achtend, dass sie nicht von seiner Handfläche purzelte. »Ich nehme nicht an, dass du vorhast, wieder umzukehren, richtig? Hoffentlich hast du bedacht, dass der ae’Magi dich hervorragend gegen mich benutzen könnte.«
Sie huschte seinen Arm hinauf und verharrte einen Augenblick auf seiner Schulter.
»Ja«, erwiderte sie, während sie sich die Schnurrhaare putzte, »hab ich. Aber ich hab auch nicht vergessen, dass mein Wolf ganz allein losgezogen ist, um seinen Vater zu töten. Zugegeben, er hat als Vater ziemlich versagt, aber – ich glaube nicht, dass das hier so einfach für dich ist, wie du aller Welt vormachen willst.«
Sie zögerte einen Moment, bevor sie fortfuhr: »Ich weiß, wie er ist. Wie er Dinge verdrehen kann, bis man schwarz für weiß hält. Seine Macht ist beängstigend, aber sie ist nicht so gefährlich, wie seine Fähigkeit, Gedanken mit Worten zu manipulieren. Ich war nur kurze Zeit dort, du hingegen wurdest von ihm aufgezogen. Doch ich glaube nicht, dass du gegen alles und jedes gefeit bist, nur weil du jemanden durchschaust. Kurz und gut: Ich denke, vielleicht ist mit jemandem an deiner Seite alles leichter.«
Wolf schwieg. Er wollte dies nicht allein tun, aber noch viel weniger wollte er, dass ihr etwas zustieß.
Aralorn sprang jäh auf den Boden. »Ich könnte es nicht ertragen, wenn dir etwas passieren würde und ich wäre nicht bei dir gewesen.« Sie hob ihre Mauseschultern und zuckte mit den Schnurrhaaren. »Davon abgesehen, wieso sollst du den ganzen Spaß allein haben? Wenn er hinguckt, sieht er bloß eine Maus.«
Er hätte sie am liebsten fortgeschickt, nicht nur zu ihrer eigenen Sicherheit, sondern weil er nicht wollte, dass sie erfuhr, wer er vorher gewesen war, auch wenn er sein Bestes getan hatte, es ihr zu erklären. Die Gefühle, die sie in ihm hervorrief,
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