ARALORN - Die Wandlerin: Roman (German Edition)
aufzuwärmen?‹ ›Nun‹, dachte ich, ›das Feuer ist ja schön und gut, aber es ist mir jetzt viel zu anstrengend aufzustehen und rüberzugehen.‹ Da fiel mir ein, dass sich gleich auf der anderen Seite des Feuers diese ganze verschwendete Wärme befindet. Es bedurfte nur eines kleinen Winks mit dem Zaunpfahl, und schwupps, warst du neben mir: sofortige Wärme, ohne dass ich mich sonderlich dafür anzustrengen brauchte.«
»Aha.« Er verstärkte seinen Griff, nur um ihn gleich darauf wieder zu lockern. »Ich verstehe. Hübsch hinterlistig von dir.«
Sie nickte vergnügt: Die von dem Albtraum verursachte innere Anspannung löste sich durch das vertraute Geplänkel immer mehr. »Hab ich mir auch gedacht. Ist alles Ren zu verdanken – er hat uns beigebracht, wie man mit List und Tücke zum Ziel kommt.« Sie gähnte schläfrig, schloss ihre Augen. »Oh, was ich noch fragen wollte – wer hält für den Rest der Nacht eigentlich Wache?«
»Myr hat sich darum gekümmert«, erwiderte er. »Der ae’Magi hat wohl kaum zwei Angriffe für ein und denselben Abend geplant, und von Edoms Scheitern erfährt er erst, wenn ihm jemand Lagebericht erstattet. Mit magischem Nachrichtenaustausch ist das so eine Sache in diesen Bergen.«
»Lagebericht.« Sie straffte sich wieder ein wenig. »Wolf, wenn Edom sein Geschöpf gewesen ist, dann weiß der ae’Magi, wo wir sind. Kann es nicht sein, dass Edom auf eigene Faust gehandelt hat?« Es war zwar unwahrscheinlich, aber immerhin möglich.
»Edom gehörte zum ae’Magi«, antwortete Wolf bestimmt. »Ich hab das Schwert erkannt. Und was deine Sorge betrifft, dass der ae’Magi über unseren Aufenthaltsort Bescheid weiß … Aralorn, es gibt nun mal nicht so viele Orte, wo wir uns vor dem ae’Magi verstecken könnten. Irgendwann wird er uns finden, ob Edom Gelegenheit hatte, es ihm zu verraten, oder nicht.« Er zuckte die Achseln. »Aber wenn’s dich beruhigt: Ich hätte jede Art von magischem Versuch, sich mit seinem Meister in Verbindung zu setzen, bemerkt. Wenn es doch dazu gekommen ist, hätte er sich schon profanerer Mittel bedienen müssen.«
Es beruhigte sie nicht.
Wenig später wich ihre kurzzeitige Munterkeit Erschöpfung. Während sie sich in seine üppige Wärme schmiegte, kam sie zu dem Schluss, dass es sich auf Wolf viel behaglicher schlafen ließ, wenn er in menschlicher Gestalt war. Und außerdem roch er so besser.
Wolf wartete, bis sie eingeschlafen war, bevor er sie wieder sacht auf ihr eigenes Lager bettete. Dann deckte er sie mit seinen Decken warm zu und strich ihr sanft über die Wange. »Schlaf, Aralorn.« Er zögerte, doch sie schlief wirklich. »Meine Aralorn«, flüsterte er.
Er schlüpfte in seine Wolfsgestalt, streckte sich neben ihr aus und starrte hinaus in die Nacht. Nach all der Zeit, die er als Wolf zugebracht hatte, machte so viel Mensch zu sein ihn nervös. Der Wolf hätte Edom herannahen gehört. Der Wolf hätte sich nicht so unbehaglich dabei gefühlt, anzunehmen, was sie ihm gegeben hatte.
Wie sie nicht anders erwartet hatte, war Aralorn, als sie aufwachte, allein. In der Vergangenheit waren Wolfs Abwesenheiten mehr oder weniger aus Rücksichtnahme erfolgt, als ob eine ständige Anwesenheit etwas wäre, bei dem er sich nicht wohl fühlen würde oder von dem er, in Anbetracht dessen, was sie über ihn wusste, der Auffassung war, dass es ihm nicht zustand.
Zu ihrer Überraschung war der Empfang, der sie im Feldlager erwartete, freundlich. Sie erntete ein paar argwöhnische Blicke, und das war’s. Und Myr hielt die anderen zu sehr mit Zeltbau und Graben auf Trab, um sich wegen ihr Sorgen machen zu müssen.
Hatten schon die Erwachsenen wenig Schwierigkeiten mit ihr, so waren die Kinder davon, einen Gestaltwandler in ihrer Mitte zu haben, nachgerade fasziniert. Sie wollten wissen, ob sie sich auch in einen Stein verwandeln konnte (nein) oder in einen Vogel (die Gans fanden sie gut, aber ein Adler oder, besser noch, ein Geier wäre ihnen lieber gewesen) und ob Gestaltwandler wirklich einmal im Jahr Blut trinken mussten und … Sie war dankbar, als Wolf kam, um sie zu holen. Ausnahmsweise einmal war sie es leid, Geschichten zu erzählen.
»Ich hoffe«, sagte sie, als sie die Höhlen erreichten, »sie glauben nicht die Hälfte von dem, was ich ihnen erzähle.«
»Wahrscheinlich nicht«, erwiderte Wolf. »Dein Problem wird sein, dass sie die falsche Hälfte glauben.«
Sie lachte und duckte sich durch die Öffnung in der Kalksteinwand.
In
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