ARALORN - Die Wandlerin: Roman (German Edition)
Gestaltwandlerblut hätte etwas so Widernatürliches nicht mal lange genug berühren können, um es gegen jemanden zu erheben.«
Gut zu wissen , dachte Aralorn. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass sie irgendwann in einen anderen Seelenfresser hineinrannte.
»Unsere Wachen waren tot, bevor Aralorn sie fand«, sagte Myr.
Tobin löste sich aus seiner Rolle als Stanis’ Schatten, den Blick unverwandt auf die geschwärzten Knochen gerichtet, und sagte: »Edom hatte in seinem Zelt einen Haufen auf Darranisch geschriebene Bücher.«
Es folgte ein kurzer Moment des Schweigens. Aralorn musste fast lächeln, als sie sah, wie die Bedeutung von Tobins Worten in den Köpfen aller Anwesenden widerhallte. Es war Tobins Zeugnis, dem das größte Gewicht beigemessen wurde. Ein Gestaltwandler, ein Einheimischer der rethischen Berge mithin, war immer noch besser als ein Darraner. Und wenn Edom ein Darraner gewesen war, warf das ein völlig anderes Licht auf die Geschehnisse der Nacht.
Nichtsdestotrotz begegnete außer Myr keiner ihrem Blick, als sie aufbrachen, um die Leichen einzusammeln.
Sie begruben die Wachen in groben, noch in der Nacht ausgehobenen Gräbern, da Wolf dies für das Beste hielt. Er hatte den Runenzauber entkräftet, so gut er vermochte, doch die in das lebende Fleisch sterbender Menschen geritzten Runen waren machtvoller, als sie es unter anderen Umständen gewesen wären. Über den genauen Zweck von Edoms Runen ließ Wolf sich nicht eindeutig aus, behauptete jedoch, dass die Leichen zu begraben seinen eigenen Zaubern Stärke verleihen würde.
Als die letzte Schaufel Erde ausgestreut war, hob Wolf seine Hände und sprach Worte der Bindung und Kraft. Als Wolf zu sprechen aufhörte, begann es heftig zu regnen. Ein Zufall, wie Aralorn wusste, obwohl so mancher der Anwesenden dazu vielleicht anderer Meinung war.
Beklommen stand die zusammengedrängte Gruppe von Menschen einige Minuten im strömenden Regen. Der Stachel des Todes war für keinen von ihnen etwas Neues, doch das machte es nicht im Geringsten auch nur irgendwie besser. Sie alle waren schon auf Wachposten gewesen, und es hätte jeden von ihnen treffen können. Keiner machte sich Illusionen, dass es ihm anders als Weidenkätzchen ergangen wäre. Und auch die Magie, derer sie in dieser Nacht Zeuge geworden waren, trug das ihrige zu der schlechten Stimmung bei. Die meisten von ihnen standen nicht auf sehr gutem Fuß mit Magie, auch wenn sie sie bis zu einem gewissen Maße selbst wirken konnten.
Nach und nach zogen sie davon zu ihren Zelten, bis nur noch Aralorn, Myr und Wolf bei den frischen Gräbern zurückblieben.
Nach einem weiteren Moment des Schweigens schlug Myr mit geballter Faust auf den Fels, neben dem er stand, so fest, dass seine Haut aufplatzte. Er sprach mit ruhiger Kraft. »Ich bin es leid, wie ein Rindvieh darauf zu warten, geschlachtet zu werden. Wenn uns bis jetzt noch nicht klar gewesen ist, dass der ae’Magi nur wartet, bis es nichts Interessanteres mehr gibt, auf das er seine Aufmerksamkeit richten könnte, dann wissen wir’s jetzt. Edom ist … war zu jung dafür, um irgendetwas anderes als ein unbedeutender Scherge zu sein, und selbst ihn haben wir um ein Haar nicht rechtzeitig aufhalten können. Wenn wir es mit dem ae’Magi selbst zu tun bekommen, haben wir nicht den Hauch einer Chance.«
»Edom war älter, als er aussah, und mehr als nur ein unbedeutender Scherge, wenn er die Runen, die sich auf den Leichen befanden, beherrschte«, bemerkte Wolf, der seine gewohnte Fassung größtenteils wiedererlangt hatte. »Und einen Seelenfresser zu tragen und dies vor mir zu verbergen ist auch nicht gerade ein Kinderspiel. Begeht nicht den gleichen Fehler wie der ae’Magi: Er ist nicht unbesiegbar.«
»Ihr meint, dass wir gegen den ae’Magi eine Chance haben?« Myrs Stimme klang zweifelnd.
»Nein, aber wir können ihm länger zu schaffen machen, als er glaubt«, entgegnete Aralorn beherzt. »Und jetzt, Kinder, denke ich, dass es für uns Zeit ist, schlafen zu gehen. Vergesst nicht, dass wir morgen früh die Abortgruben buddeln müssen. Wolf, wenn es dir nichts ausmacht, ich schätze, dass sich alle ein bisschen wohler fühlen, wenn ich an deinem Lagerfeuer nächtige anstatt in dem Zelt mit den anderen.« Und ich ebenfalls , dachte sie, ich wäre wesentlich glücklicher hier . »Besser, wenn sie ihrem Gestaltwandler nur bei Tage über den Weg laufen.«
6
Irgendwo in der Dunkelheit schrie ein Nachtfalke ohne Jagdglück auf, und
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