ARALORN - Die Wandlerin: Roman (German Edition)
Kriegerherz; ohne Zögern schoss der Hengst los und pflügte durch das Meer aus sich regenden Schneehügeln.
Die Uriah heulten auf, und Schimmer verdoppelte sein Tempo, setzte über die Kreaturen hinweg oder wich ihnen aus. Eine von ihnen stand auf und griff nach den Zügeln. Aralorn jagte ihr einen Armbrustbolzen direkt in das Auge. Der Uriah schwankte, fing sich jedoch wieder und bekam Aralorns Steigbügel zu packen. Verzweifelt stieß sie hart mit dem Armbrustschaft zu, riss ihm den Arm an der Schulter vom Leib. Zu Boden stürzend bekam er noch einen Tritt von Schimmers Hinterbeinen verpasst.
Die Kälte musste einen größeren Einfluss auf die Schnelligkeit der Uriah haben, als Aralorn vermutet hatte, denn sie schaffte es – sehr zu ihrer eigenen Verwunderung – bis zu dem an den Rändern vereisten Fluss, während sich die Unholde noch immer fast im Schneckentempo fortbewegten. Schimmer protestierte schnaubend, als er auf das eisige Wasser prallte, setzte seinen Weg jedoch unbeirrt fort und schwamm wacker in Richtung des anderen Ufers. Aralorn hielt sich an seiner Mähne fest, legte sich flach auf die schnell dahinströmende Fläche und ließ sich größtenteils vom Wasser tragen.
Der Fluss war tief und reißend, aber schmal. Ohne irgendwelche Missgeschicke zog das Pferd Aralorn hinüber auf die andere Seite. Die Strömung hatte sie weit genug flussabwärts getrieben, dass die Uriah nun nicht mehr in Sicht waren, aber sie vermeinte sie über das Rauschen des Wassers hören zu können. Als sie wieder aufsitzen wollte, bemerkte sie, dass der Arm, den sie dem Uriah abgetrennt hatte, sich noch immer an ihrem Steigbügel festkrallte.
Es gab eine Geschichte über einen Mann, der als Kriegstrophäe einen Finger von einer Uriah-Hand behalten hatte. Zehn Jahre später sei der Uriah, dem der Finger gehörte, vor der Haustür des Mannes erschienen. Aralorn glaubte diese Geschichte nicht. Nicht wirklich. Sie war nur nicht sehr begeistert davon, mit einer an ihrem Sattel hängenden, stinkenden Hand durch die Gegend zu reiten.
Sie zog und zerrte daran, doch das Ding erwies sich als ziemlich störrisch, sodass sie schließlich einen Armbrustbolzen als Hebel benutzte. Während sie stemmte und stocherte, fiel ihr an einem der schartigen Klauenfinger ein schwerer Ring aus Gold auf – irgendeinem armen Opfer geraubt, nahm sie an. Ren wäre davon bestimmt fasziniert gewesen – Uriah waren im Allgemeinen keine Plünderer; ihr vorrangiges Interesse galt der Nahrungsbeschaffung.
Sie schleuderte den Arm mitsamt dem Ring in den Fluss und sah nicht ohne Befriedigung zu, wie er in der Tiefe versank. Alsdann lud sie aus Gewohnheit die Armbrust nach; offenbar richtete sie gegen Uriah nicht allzu viel aus. Anschließend sprang sie in den Sattel und machte sich auf in die ungefähre Richtung des Lagers, in der Hoffnung, zwischen hier und dort irgendwo eine geeignete Furt zur erneuten Flussdurchquerung zu finden.
Uriah, normale Uriah, kamen niemals dorthin, wo es kalt war. Niemals. Aber der ae’Magi hielt Uriah – wie hatte Wolf es noch gleich ausgedrückt? – wie Schoßtiere. Doch wie viele? Um die Hundert? Ren sagte immer, es sei müßig, seinen eigenen Augen zu widersprechen. Also dann: um die Hundert.
Das Einzige, hinter dem diese Uriah des ae’Magi her sein konnten – vorausgesetzt, Wolf hatte recht mit der Annahme, dass sie dem Erzmagier dienten–, war Myr. Offenbar waren sie vom Sturm überrascht und durch die plötzliche Kälte lahmgelegt worden. Bedachte man, wann das Unwetter eingesetzt hatte, wären sie wohl an diesem Morgen in aller Frühe beim Lager angekommen, wenn der Schnee sie nicht aufgehalten hätte. Der Sturm gab ihr die Chance, die anderen zu warnen.
Zitternd vor Kälte trieb sie den Hengst zu einem schnellen Trab an, den er, bis sie es zum Lager geschafft hatten, durchhielt. Im Reiten zerschnitt sie die Gurte und ließ den schweren Sattel und die Taschen zu Boden fallen – hielt sich dabei mit einem Trick auf Schimmers Rücken, den der erste Kundschafter ihrer alten Truppe ihr beigebracht hatte. Je weniger Schimmer tragen musste, umso schneller kam er voran. Ihre geladene Armbrust behielt sie dabei fest in der Hand.
Während sie dahineilten, grübelte sie über den Ring des Uriah nach. Und darüber, wie sie in der kurzen Zeit, die ihnen bis zum Eintreffen der Bestien vermutlich noch blieb, ihr aller Überleben sichern sollten.
Zwischen Aralorn und den Uriah befand sich der Fluss, aber er stand auch
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