ARALORN - Die Wandlerin: Roman (German Edition)
-zusammenkunft eingeladen, und wenn die Mitglieder der einzelnen Clans sich einmal im Jahr in ihren Enklaven treffen, um darüber zu entscheiden, wer von ihnen wohin geht, ist für ihn immer ein zeremonieller Platz hergerichtet.«
»Von welchem Berge?«, fragte Myr.
Aralorn zuckte die Achseln. »Vom Berge eben«, erwiderte sie. »Keine Ahnung. Ich hab mit Fallenstellern gesprochen, die Stein und Bein darauf schworen, ihm begegnet zu sein. Aber mir ist in noch keinem Buch eine Geschichte über ihn untergekommen.«
»Denkt Ihr, er könnte einer von den Gestaltwandlern sein?«
»Der Alte Mann, der Leute in den Wahnsinn treibt und frisst, bestimmt«, sagte sie. »Aber ich hab noch nie einen reinblütigen Gestaltwandler getroffen, der selbst mitten in einem Fluss einem Menschen geholfen hätte, Wasser zu finden.«
»Könnte einer von ihnen den Sturm verursacht haben?«
Es war unmöglich, ihm im vollen Umfang zu erklären, wie tabu für einen Grünmagier das Herumpfuschen an größeren Wetterlagen war. Tabu implizierte immer, dass so etwas grundsätzlich möglich war, und sie wollte den König von Reth nicht unter die Nase reiben, dass ihrer Verwandten mütterlicherseits derartige Fähigkeiten besaßen. Mit so offenem und unschuldigem Blick, wie sie es vermochte, erwiderte sie: »Ausgeschlossen.« Was ihrer Überzeugung entsprach, wenn auch nicht ganz der Wahrheit.
Myr schien’s jedoch zufrieden und wechselte das Thema. »Ich wünschte, ich wüsste, wie lange dieses Wetter so bleibt. Wir brauchen dringend mehr Essensvorräte, und ich kann die Jäger jetzt nicht da rausschicken. Für die Jagd im Schnee reichen ihre Fertigkeiten nicht aus. Um ehrlich zu sein, sind nur zwei oder drei von ihnen gut genug, um überhaupt zu jagen, und mit dem Wetter im Norden besitzt kein einziger von ihnen Erfahrung.« Während er sprach, schritt er rastlos auf und ab. »Und dann der Matsch. Wir werden überall Matsch bekommen, und danach kriegen wir Eis.«
»Beschreit es nicht.« Aralorn Stimme klang barsch. »Wenn wir Hunger schieben müssen, dann schieben wir eben Hunger. Im Übrigen hatte Schimmer in letzter Zeit ohnehin wenig Bewegung, und ich bin nicht allzu schlecht mit der Armbrust. Außerdem weiß ich, wie man Fallen aufstellt, falls das nötig werden sollte. Behaltet Eure Jäger zu Hause, und ich will sehen, was ich für unsere Speisekammer tun kann.«
Myrs Miene hellte sich auf. »Seid Ihr sicher? Das wird bestimmt kein Spazierritt.«
»Schimmer ist Schnee nicht fremd, und durch die paar Zentimeter sollte er wohl schon kommen.«
Eigentlich hatte sie nicht vorgehabt, sich sofort auf den Weg zu machen, doch die Erleichterung in seinem Gesicht ließ sie von ihrem Plan abrücken, erst am Nachmittag aufzubrechen. Sie holte sich ihre Ausrüstung aus dem Aufbewahrungszelt zurück, requirierte ein Paar Stiefel und borgte sich von einem der vormaligen Jäger Bolzen und Armbrust.
Schimmer schnaubte und tänzelte ungeduldig, während sie ihn sattelte, und preschte bereits, noch bevor sie richtig aufgesessen war, in vollem Lauf los – ein dramatischer Abgang, der von rauen Jubelrufen und frohem Gelächter begleitet wurde. Als sie endlich in der Lage war, den Hengst zu zügeln und zu tadeln, waren sie bereits auf halber Höhe des Hauptpfads aus dem Tal herausgeritten.
Nachdem sie die Senke hinter sich gelassen hatten, war das Vorankommen weniger beschwerlich als befürchtet, da der scharfe Wind den Schnee vielerorts weggeweht hatte. Solange sie Bodenvertiefungen mieden, ließ der Tiefschnee sich größtenteils umgehen.
Es gab nur wenige Spuren in dem Schnee. Normalerweise war die Jagd nicht ihr Metier; sie wusste quasi nichts über das Verhalten des Wildes nach dem ersten kräftigen Schneefall. Sie hätte erwartet, dass es, wenn der Schnee zu schmelzen anfing, wenigstens an den Sonnenhängen wieder hervorkam, um sich noch einmal an der aus dem Weiß lugenden Vegetation zu laben, bevor der Winter endgültig einsetzte. Aber vielleicht blieben die Tiere lieber an geschützteren Orten. Möglicherweise wussten sie etwas über das Wetter, das sie nicht wusste.
Nach einer Weile stieß sie auf Spuren, die sie noch nie zuvor gesehen hatte. Die Abdrücke waren mehrere Stunden alt und in dem schmelzenden Schnee hoffnungslos unkenntlich geworden. Was immer sie hinterlassen hatte, war groß – sie fand einen Ast, so dick wie ihr Bein, den das Tier von einem Baum abgebrochen hatte. Einen Moment lang hielt sie inne, dann führte sie ihr
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