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ARALORN - Die Wandlerin: Roman (German Edition)

ARALORN - Die Wandlerin: Roman (German Edition)

Titel: ARALORN - Die Wandlerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Briggs
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auftrat.
    Reth war ein flächenmäßig kleines Land, doch reich an Mineralien und fruchtbarem Boden. Darüber hinaus besaß es eine gut ausgebildete Armee – ein Vermächtnis von Myrs Großvater. Diese Streitkräfte hatten immer dann, wenn sich die Anthran-Allianz das Land in den letzten Jahrhunderten einverleiben wollte, dazu gedient, Reths Unabhängigkeit zu erhalten. Myr war ein sehr unerfahrener König, und es hätte gewisse politische Kräfte entschieden glücklicher gemacht, wäre er ebenso eine Marionette gewesen wie sein Vater. Aber es gab genügend Kammern, die ihn gegen alle, die da kommen mochten, unterstützen würden, sodass Myr selbst vor dem Erzmagier sicher sein sollte. Sie hatte keine Ahnung, wieso sie fürchtete, der ae’Magi könnte Myr schaden. Vielleicht weil ein Teil von ihr immer noch glaubte, dass sie dem Königshaus von Reth Lehnstreue schuldig war. Vielleicht lag es aber auch an der Art und Weise, wie der ae’Magi sie an eine Katze erinnerte, die lauernd vor einem Mauseloch lag.
    Die liebenswürdige Aufmerksamkeit im Gesicht des ae’Magi jagte Aralorn einen kalten Schauer über den Rücken. Sei vorsichtig , ermahnte sie Myr stumm.
    Mit einem Lächeln und mehr Selbstvertrauen, als ein Bursche seines Alters eigentlich haben sollte, wandte Myr sich dem Magier zu. »Ja, die Elfenbeintönung des Gefieders hat die gleiche Farbe wie der Marmor im Saal. Es ist selten, dass man so weit im Süden einen Schneefalken sieht; Ihr müsst ein hübsches Sümmchen für ihn hingelegt haben.«
    Dann ließen sich die zwei Männer lang und breit über die Falknerei aus – etwas, das, wie Aralorn zufällig wusste, keinen von beiden interessierte. Nachdem das Thema erschöpft war, wurde der ae’Magi plötzlich ernst.
    »Mein lieber Myr«, sagte er, »lasst mich Euch mein aufrichtiges Mitgefühl wegen des vorzeitigen Ablebens Eurer Eltern aussprechen. Ich hatte während der Beisetzung keine Gelegenheit, mit Euch zu reden. Ich habe natürlich eine Karte geschickt, aber ich wollte Euch von Angesicht zu Angesicht sprechen.«
    Myr öffnete den Mund, um etwas zu entgegnen, doch der ae’Magi legte eine langfingrige Hand auf Myrs Schulter und verhinderte damit wirksam jede Erwiderung des jüngeren Mannes.
    »Falls Ihr irgendetwas benötigt, zögert nicht, Euch an mich zu wenden. Als der ae’Magi verfüge ich über Beziehungen und erheblichen Einfluss, und Ihr bedürft vielleicht der Hilfe, welche Unterstützung auch immer ich Euch angedeihen lassen kann. Es ist noch nie einfach gewesen, den Thron zu besteigen, zumal jetzt, da die Uriah ruhelos die östlichen Wälder durchstreifen. Von stets intrigierenden oppositionellen Kräften oder« – er zögerte, machte eine vielsagende Geste – »anderen Feinden gar nicht zu reden.«
    Mit professionellem Interesse nahm Aralorn die leichte Spur von Schuldgefühl in seiner Stimme wahr. Es war meisterhaft gemacht und ließ sie daran denken, dass die letzten Herrscher von Reth im Anschluss an eines der rauschenden Feste des ae’Magi zu Tode gekommen waren. Niemand hatte jemals unterstellt, dass ihr Unfall eben kein Unfall gewesen war. Sie hätte selbst nicht einen Gedanken an dergleichen verschwendet – aber in Anbetracht dessen, was sie inzwischen wusste, wäre Aralorn überrascht gewesen zu erfahren, dass der Erzmagier nicht irgendetwas mit dem Tod des Königs zu tun hatte.
    Sie fragte sich, ob Myr wusste, weswegen der ae’Magi scheinbar solchen Anteil an ihm nahm. Sie konnte die Entschlossenheit des Zauberers beinahe riechen. Sie vermochte nur nicht zu sagen, woher diese Entschlossenheit rührte. Myr argwöhnte irgendetwas; warum sonst hätte er diese kleine Scharade spielen sollen.
    Myr neigte leicht den Kopf, würdigte das Angebot, ohne es anzunehmen. »Ich weiß, dass meine Eltern Euch zu ihren Freunden zählten. Ich weiß Euer Anerbieten zu schätzen.« Er lächelte entschuldigend. »Es war mir ein Vergnügen, mit Euch zu plaudern, aber jetzt muss ich mich leider empfehlen. Wisst Ihr« – er beugte sich näher, als wollte er ein peinliches Geheimnis beichten –, »ich erwarb erst kürzlich einen neuen Hengst, und ich bin nicht sicher, ob ich ihm nach Einbruch der Dunkelheit auf den Reisewegen vertrauen kann.« Einen kurzen Moment lang verschwand der Eifer aus seinem Gesicht. »Nach dem, was meinen Eltern zugestoßen ist, mein Herr, verspüre ich einen Drang zu übermäßiger Vorsicht.«
    War das ein Seitenhieb gewesen? Stachel ihn nicht auf , dachte sie inständig.

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