Arams Sündenbabel
Aussehen sicherlich nur die Rollen der Schurken bekommen. Das Gesicht war prädestiniert dafür. Eine eingeschlagene Nase, die nach unten hin breit zulief. Große Ohren, eine hohe Stirn, kleine Augen, fast ohne Brauen darüber.
Was war er jetzt?
Er lebte nicht, war aber auch nicht richtig tot. Vielleicht befand er sich auch auf dem endgültigen Weg, und dafür trugen auch die Maden Sorge, die sich jetzt bis zu seinem Mund vorgearbeitet hatten und auch durch die Nase krochen.
Die verließen den Mund, die Nasenlöcher ebenfalls, wobei sie sich von seinen Innereien ernährt haben mussten. Ich brauchte nicht noch einmal einzugreifen. Das geweihte Silber hatte es geschafft, den Prozess der Verwesung wieder fortzusetzen.
Ich drehte mich um. Den Anblick konnte ich mir ersparen. Wichtig war Janine Helder.
Ich hörte sie heftig atmen, aber sie hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Der Kopf lag auch noch auf ihrem Körper. Sie selbst wirkte wie jemand in Todesangst.
Sie sah mich, ich sah sie.
»Du brauchst dir vorerst keine Sorgen zu machen. Es gibt den anderen nicht mehr.«
»Nimm den Kopf, John!« Ihre Stimme klang so fremd wie nie, und ich tat ihr den Gefallen.
Es machte mir keine Freude, den Kopf anzufassen, doch es ging einfach nicht anders. Sehr fest umklammerte ich ihn nicht, als ich ihn in die Höhe hob. Seine Haut war zwar straff, trotzdem aber weich. Neben dem Bett warf ich ihn zu Boden. Am Halsansatz hatte ich noch das Blut gesehen, das eine dicke Kruste gebildet hatte.
Janine Helder stand noch immer unter Stress. Sie atmete keuchend, und sie zitterte auch. Wahrscheinlich konnte sie sich aus eigener Kraft nicht erheben. Deshalb streckte ich ihr meinen Arm entgegen und half ihr hoch.
Sie griff nach meiner Hand. Auf ihrer Haut klebte kalter Schweiß. Das Zittern war so stark, dass es sich auch auf mich übertrug. Als sie schließlich stand, fiel sie mir in die Arme und drückte ihren Kopf gegen meine Brust.
Ich konnte zur Tür hinsehen. Dort stand Aram de Fries. Er war nicht in der Lage, auch nur ein Wort zu sagen. Das Gesicht war noch bleicher als sonst, und die rote Farbe in seinen dunklen Haaren schimmerte wie ein flüchtiger Blutstreifen.
»John Sinclair, wer sind Sie?«
Aram hatte jetzt ein Recht auf die Antwort. Die Frage hatte er sich bestimmt schon mehrmals gestellt, sich jedoch nicht getraut, sie auszusprechen. »Ich bin jemand, der sich mit gewissen Vorgängen auskennt, die im Reich des Übersinnlichen ihren Ursprung haben. Das ist im Prinzip alles, Aram.«
»Nein, Sie sind mehr.«
»Was denn?«
»Ich weiß es nicht. Manchmal kommt es mir vor, dass ich keinen Menschen vor mir habe.« Sein Blick flehte mich an. »Seien Sie ehrlich, Mr. Sinclair. Habe ich Recht?«
»Nein, Aram, Sie haben nicht Recht. Ich bin wirklich ein normaler Mensch wie Sie und Mrs. Helder. Aber ich habe einen Job, der etwas außergewöhnlich ist.«
»Das habe ich bemerkt!« flüsterte er. »Was... was... tun wir denn jetzt? Wir müssen doch etwas unternehmen und...«
»Wir können vorerst nur reagieren.«
»Gehört dazu auch die Flucht?«
»Ja.«
Janine hatte zugehört. Sie war auch wieder so weit fit, dass sie eine Antwort geben konnte. »John, ich will nicht schlauer sein als du. Aber ich sage dir, dass wir es nicht schaffen. Glaube nur nicht, dass uns das Haus aus seinen Klauen läßt. Wir sind seine Gefangenen. Es bestimmt, wann wir gehen oder nicht. Man läßt uns nur rein, doch nicht raus. Wir sitzen in einer Falle. Dieses Sündenbabel will seinen Spaß haben. Etwas davon hat man mir schon präsentiert. Das hast du gesehen.«
Die Worte hatten Aram de Fries nicht gepasst. »Denken Sie auch so, John Sinclair?«
»Sie könnte Recht haben, Aram!«
»Scheiße!« schrie er los und drehte sich dabei auf der Stelle. »Dann müssen wir in diesem Elend bleiben? Das darf doch nicht wahr sein! Ich hatte meine ganze Hoffnung jetzt auf Sie gesetzt, Sinclair, und nun das!«
»Wir können es auch bekämpfen!« sagte ich.
»Ja, Sie, aber nicht ich, verdammt!«
Janine löste sich von mir. Mit einer schnellen Drehung und einem ebenso schnellen Schritt stand sie vor Aram. »Jetzt hör mal zu, mein Junge. Du bist zwar noch jung und längst nicht so alt wie ich. Aber auch du solltest wissen, dass man im Leben nichts, aber auch gar nichts geschenkt bekommt. Man muss für alles kämpfen, verstehst du? Für alles, Söhnchen. Selbst für das Leben. Haben wir uns da richtig verstanden?«
»Das sind doch Worte!«, fuhr er sie
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