Aratani
Tatsache, dass es sich um ein Muttermal als solches
handelte, vielmehr erregte die Form dessen meine Aufmerksamkeit. Es sah aus,
wie ein kleiner fliegender Vogel."
Sie war damals auf der Durchreise zu einem Treffen mit Hiobes. Sie
wollte ihn bekehren, mit ihr zusammen eine friedliche Lösung für die Länder zu
finden. Auf dem Weg dorthin wollte sie unbedingt unseren Tempel besuchen. Sie
erschien mir damals sehr gläubig. Ihr Umhang wurde von einem Schmuckstück
zusammengehalten, welches dem Emblem auf dem Dolch und Deinem hier sehr ähnlich
sah. Aber das ist alles fast zwanzig Jahre her. Vielleicht irre ich mich auch. Mehr
kann ich Dir leider nicht sagen. Ich weiß nur, dass Reginata seit langer Zeit
nicht gesehen worden ist. Auch von ihrem eigenen Volk wird sie vermisst. Man
munkelt vieles. Die einen sagen, sie wurde ermordet, die anderen sagen, sie würde
sich verstecken, vielleicht sogar in ihrem eignen Palast."
"Ihr habt mir sehr viel weiter geholfen, ehrwürdiger Vater. Jetzt
weiß ich zumindest, dass ich mich auf dem richtigen Weg befinde. Ich werde die
Wesire aufsuchen und die Gefangenen im Kerker."
"Für den Eintritt in den Kerker benötigst Du eine Erlaubnis des
Sultans, oder zumindest die der Wesire. Du solltest bei Deinem Besuch dort
gleich danach fragen. Ich hoffe, Du findest heraus, was genau geschehen ist.
Isuryon sei mit Dir. Ich werde für Dich beten."
Mit diesen Worten reichte er Aran die Hand. Aran ergriff sie und sagte:
"Ich danke Euch von ganzen Herzen. Lebt wohl!"
Ihm schwirrte der Kopf, als er auf Inati zuging. Nun hatte er mehr
Fragen als Antworten. Was sollte die Königin des 'Vierten Landes' mit der
Ermordung seiner Eltern und der Entführung seiner Schwester zu tun haben? Er
musste unbedingt die Wesire von Basab aufsuchen. Der Sultan würde sich bestimmt
nicht persönlich um ein paar Diebe kümmern. Aber wenn der Priester sich nicht
irrte, hatte er immerhin den Ursprung des Emblems herausgefunden. Etwas in
seinem Unterbewusstsein machte sich bemerkbar. Einige der Worte des Priesters
waren bei dem Gespräch wie ein Gedankenblitz in sein Hirn geschossen, aber Aran
kam beim besten Willen nicht darauf, um was es sich handelte.
Inati kam ihm entgegen und zusammen liefen sie schweigend ein Stück
nebeneinander her. Aran sagte:
"Zeig mir bitte noch, wo die Wesire ihre Amtsräume haben und wo ich
den Kerker finde. Danach brauche ich Dich für heute nicht mehr."
"Gern! Wir müssen nach vorn zum Stadttor. Hier entlang", wies
Inati mit der Hand links die Straße hinunter.
Nachdem Aran sich im Zitadellenhof umgesehen und sich von Inati hatte
zeigen lassen, wo es hinunter zum Kerker ging und in welchem der Türme er die
Wesire finden würde, machte er einen Abstecher zur Koppel und den Ställen.
Freudig wiehernd empfingen ihn Schneewehe und Feuerhuf. Sanft sprach er zu
ihnen und nahm ein paar Möhren aus einem am Zaun hängenden Sack. "Wenn
alles klappt, können wir bald weiter meine Lieben, ich sehe schon, wie unruhig ihr
seid." Dabei tätschelte er ihre Hälse und gab ihnen die Möhren. Die beiden
waren kaum zu halten. Mussten sie doch denken, dass ihre Herren sie endlich
abholen würden.
In Gedanken versunken wandte sich Aran ab und machte sich auf den
Rückweg. Inati hatte er mit ein paar Münzen nach Hause geschickt. Sein Magen
knurrte bedenklich und machte ihm bewusst, dass er außer dem Frühstück den
ganzen Tag noch nichts gegessen hatte. Das Gespräch im Tempel hatte bis zum
frühen Nachmittag gedauert und die Sonne war bereits dabei, sich für diesen Tag
zu verabschieden. Die Hitze vom Mittag hatte nachgelassen und Aran genoss den
leichten Wind, der ihm um das Gesicht und durch die Haare wehte. Er war
gespannt, ob Tilgrem etwas herausgefunden hatte. Schnellen Schrittes ging er ihrem
Gasthaus entgegen und freute sich auf eine anständige Mahlzeit bei einem
Gespräch mit seinem Freund.
Aran freute sich, dass Tilgrem, der offensichtlich auch erst vor kurzem
zurückgekommen war, bereits Speisen und Getränke bestellt hatte. Gerade wollte
Aran mit seinem Bericht beginnen, da trugen die Wirtsleute das Essen auf. Aran
lief das Wasser im Mund zusammen. Der Duft eines gegrillten Fasans für jeden
von ihnen stieg ihm in die Nase und der Tisch war über und über mit Platten
voll der erdenklichsten Köstlichkeiten bedeckt. Er beschloss, das Gespräch
einen Moment aufzuschieben. Tilgrem schien genauso hungrig. Sie machten sich
über das Essen her bis keiner von ihnen auch nur einen einzigen
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