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Aratani

Aratani

Titel: Aratani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Preuss
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Kopfbedeckung oder Schuhe farblich abgestimmten Stoffstreifen als
Gürtel und lockere weiße Hemden mit weiten Ärmeln. Am Hals waren diese oft weit
ausgeschnitten und mit Bändern oder Schleifen zusammengebunden. Über den Hemden
trugen die Herren eine Weste mit den edelsten Verzierungen. Sogar auf die
Kleidung der Dienerschaft schien sorgfältig geachtet zu werden. Die wenigen
Bettler, die von den Stadtwachen immer wieder verscheucht wurden, erkannte Aran
auf Anhieb. Inati hatte ihnen von dem Armenhaus hinter den westlichen Toren der
Stadt erzählt und davon, dass hier niemand zu betteln bräuchte. Man könne davon
ausgehen, dass die herumstrolchenden Bettler sich einige Münzen für ihre von
ihnen getrennt lebenden Familien zusammenbettelten. Hinter den Stadttoren waren
außerdem die Friedhöfe angelegt. Jede Religion hatte ihre eigene
Beerdigungsstätte.
    Nachdem Aran und Tilgrem den größten Teil des Tages hinter sich gebracht
hatten, luden sie Inati ein, mit ihnen in ihrem Gasthaus zu essen. Tilgrem
drückte Inati, nachdem sie alle drei gesättigt waren, zwanzig Kupferlinge in
die Hand und sie bedankten sich für seine Dienste, benötigten diese nun aber
nicht mehr. Inati strahlte übers ganze Gesicht:
    "So viel Kupfer habe ich noch nie erhalten! Vielen, vielen Dank.
Falls Ihr später doch noch Fragen habt, stehe ich Euch gern jederzeit zur
Verfügung."
    Damit hatten sie sich von Inati verabschiedet und Tilgrem stieg in einem
vom Wirt unbeobachteten Moment die Treppe zu seinem Zimmer hoch, um unauffällig
den Wein zu holen.
    So unbemerkt wie möglich machten sie sich auf den Weg zum Gefängnis von
Basab. Da sich die Ställe in der Nähe der Treppe, die zum Kerker herunterführte,
befanden, wollte Aran unauffällig nach ihren Pferden sehen. Dort würde er sich
so lange aufhalten, bis Tilgrem zurück war. Hoffentlich ginge alles gut.
    Sie sahen sich im verlassenen Zitadellenhof um. Die Wesire und der
Sultan schienen sich gerade ebenso den abendlichen Genüssen hinzugeben, wie die
Stadtwachen. Wie es aussah hatten Aran und Tilgrem einen günstigen Zeitpunkt für
ihr Eindringen ausgesucht. Die letzten Strahlen der Sonne hatten sich gerade
erst hinter dem Horizont versteckt. Tilgrem nickte Aran zu und machte sich mit
seinem Beutel, in dem sie die drei Phiolen Wein in Tücher eingewickelt und
verstaut hatten, auf den Weg zum Eingang des Kerkers. Ein offen stehendes
geschmiedetes Gitter ließ die Treppe, die in das Gewölbe hinunter führte,
erkennen. Niemand war zu sehen, als Tilgrem begann die Stufen hinabzusteigen. Aran
blickte ihm nach und schlenderte dann gemächlich in Richtung der Pferdekoppel.
Dort blieb er bei Schneewehe und Feuerhuf, die ihn sofort stürmisch begrüßt
hatten, stehen und hielt den beiden abwechselnd ein Leckerli hin. Auf dem Basar
hatte er extra für diesen Zweck einige Zuckerwaren besorgt und sie in seinem
Wams verstaut. Jetzt klebten seine Hände. Die Pferde leckten genüsslich seine
Handflächen, während Aran leise, ohne den Kerkereingang aus den Augen zu lassen,
mit ihnen sprach.

12. Der Kerker von Basab

 
    Tilgrem ging, entgegen seinem sonstigen polternden Schritt, erstaunlich
leise die Treppe, die zu den einzelnen Gefängniszellen führte, hinab. Unten
angekommen, bog der schmale Gang nach rechts ab und weitere Stufen führten in
die Tiefe. An den rußigen Wänden waren in regelmäßigen Abständen Fackeln in
eisernen Halterungen angebracht, die ihr warmes, schummriges Licht in die Gänge
verströmten. Je tiefer Tilgrem kam, je kühler wurde es. Die frische Luft wurde
immer knapper. Unten angekommen hatte Tilgrem muffigen und modrigen uralten
Atem in den Lungen, hielt aber fast zeitgleich mit der letzten Stufe die Luft
an, als er eine der Stadtwachen erblickte. Ihm den Rücken zugewandt richtete
der Mann seinen Blick in die Zelle vor ihm und unterhielt sich offenbar mit
einem der Gefangenen.
    Tilgrem hüstelte, um sich bemerkbar zu machen, und bevor die Wache auch
nur ein Wort sagen konnte, schwang er seinen Beutel und richtete das Wort an
den Aufseher:
    "Ich habe hier einige Phiolen Wein. An so einem Abend will man doch
lieber mit einem Krug dieses edlen Gesöffs und einer hübschen Maid in die
Sterne sehen, statt hier unten zu verrotten. Ich soll Dich für den Rest der
Nacht unterstützen. Was hältst Du davon, wenn wir teilen und dabei ein wenig
plaudern? So macht die Arbeit doch gleich mehr Spaß, oder nicht?"
    Die Wache wollte gerade die Waffe ziehen, als Tilgrem zwei der

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