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Aratani

Aratani

Titel: Aratani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Preuss
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dicken
Phiolen aus seinem Beutel zog und dem Mann eine davon reichte. Der überlegte einen Moment, trat dann auf Tilgrem zu und
griff nach der gereichten Flasche.
    "Wenn ich´s so recht überlege", sagte der Mann, "hier
unten bekommt man nach einer gewissen Zeit so ein merkwürdiges Kratzen im Hals.
Also gut, trinken wir einen Schluck zusammen. Hier passiert nie etwas und ich
freu mich über ein wenig Unterhaltung. Mit den Gefangenen darf man ja
eigentlich nicht reden, und da wird einem die Zeit schon mal recht lang. Wir
können uns dorthin setzen."
    Dabei zeigte er auf einen kleinen hölzernen Tisch mit drei Stühlen in
der Ecke des Verlieses. Sie gingen hinüber und Tilgrem setzte bereits seine Phiole
an und nahm einen langen Zug. Der Wärter schluckte trocken und konnte nicht
mehr an sich halten. Er trank in einem Zug die halbe Flasche leer, setzte sie
ab und rülpste laut. "Das war ein Genuss! Eine nette kleine Abwechslung
und eine famose Idee. Wie sagtest Du gleich, war Dein Name?"
    Tilgrem rülpste ebenfalls und bemerkte, dass das Schlafmittel, welches
er in des Wärters Phiole gemischt hatte, diesen schon etwas lallend sprechen
ließ. Wenn er wissen wollte, in welcher Zelle die Banditen, denen man den
besagten Dolch abgenommen hatte, saßen, musste er bald zur Sache kommen. Fast
befürchtete er, die Dosis doch etwas zu hoch angesetzt zu haben.
    "Du warst wohl heute ganz allein hier zum Dienst eingeteilt?",
fragte er beiläufig.
    Der Wärter fing an zu plaudern, ohne dass Tilgrem groß Fragen stellen
musste:
    "Jeder Wärter drückt sich so gut es geht vor der Arbeit hier unten.
Eigentlich sind wir immer zu zweit. Aber wenn nicht viel los ist, machen wir unter
uns aus, dass immer nur einer hier bleibt und das im täglichen Wechsel. Heute
hab ich eigentlich nicht mehr mit Unterstützung gerechnet. Andauernd stellen
sie neues Personal ein, kaum hat man jemanden richtig kennengelernt, kommt
schon wieder ein neuer Wärter."
    Mit diesen Worten nahm er noch einen Schluck. Er beschwerte sich über
die Faulheit der anderen Aufseher und zog über die Wesire her, über den Sultan
und über alle, die ihm noch einfielen.
    Nachdem Tilgrem beruhigt war, dass heute Nacht mit niemandem des
Personals mehr hier zu rechnen war, holte er die dritte Phiole heraus und
sagte:
    "Du brauchst Dir den Wein nicht einzuteilen, Du kannst noch eine
Flasche haben , wenn Du möchtest, aber sag mal, wieviel
Gefangene sind eigentlich zurzeit hier untergebracht?"
    Der Wachmann strahlte und griff nach dem Wein. "Ach, es sind nur
drei Gefangene, das heißt eigentlich zwei. Einer ist vor einer Woche gestorben.
Hatte eine schlimme Wunde an der Schulter, das war wohl letztendlich sein
Verhängnis. Der in der letzten Zelle ist sein Kumpel gewesen. Die beiden hat
man dabei erwischt, wie sie einem Reisenden seinen Geldbeutel vom Gürtel
schneiden wollten. In ein paar Tagen soll sein Urteil gesprochen werden. Wenn
er Glück hat, wird ihm nur eine Hand abgehackt."
    Tilgrem sagte: "Trinken wir noch einen! Ist ja nicht viel zu tun
heute", und hob seine Flasche an die Lippen."
    Tilgrem haute so schnell nichts um. Eine Phiole oder ein großer Krug
Wein hintereinander ausgetrunken, war bei ihm keine Seltenheit. Der Wärter
schien nicht so geübt und verfiel hauptsächlich wegen des Opiates bereits ins
Gähnen.
    "Du kannst Dich ruhig ein wenig langmachen, ich halte die
Stellung", sagte Tilgrem überflüssigerweise. Der Wärter hatte bereits
seinen Rücken an die Wand gelehnt und schnarchte vernehmlich.
    Leise stand Tilgrem auf und ging mit seiner noch mehr als halbvollen
Phiole zur hintersten Zelle, zu dem Mann, den er aufsuchen wollte. Grimmig
schaute er durch die Gitterstäbe und sah dem Gefangenen ins Gesicht. Dann nahm
er einen Schluck Wein. "Ahhh…, ein köstlicher Tropfen von den edelsten
Reben. Damit ist für Dich ja vorläufig Schluss! Wie ich gehört habe, wird Dir
nächste Woche die Hand abgehackt, vielleicht sogar beide."
    Elend sah der Gefangene zu ihm auf. Wie ein lumpiges Bündel saß er in
der Ecke und begann zu jammern: "Ich bin unschuldig! Mein Freund hat den
Geldbeutel stehlen wollen! Ich war nur dummerweise bei ihm, als er es versuchte,
und sie haben uns beide weggesperrt. Jetzt kann ich meine Unschuld nicht
beweisen, weil er an Wundbrand gestorben ist!"
    Tilgrem schwieg einen Moment, wollte sich aber auch nicht länger, als
unbedingt nötig hier aufhalten. Zu groß war die Gefahr, dass man ihn entdeckte.
Mit gelangweiltem Ton sagte er. "Ich

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