Arbeit - Leben - Glueck
Überwindung des Kapitalismus, ist nicht mehr darunter. Offenbar ist man sich inzwischen darüber einig, dass die anstehenden Aufgaben am besten dann bewältigt werden können, wenn man das Kapital auf seiner Seite hat.
Mehr und mehr werden die Aufgaben des 21. Jahrhunderts als gemeinsames Projekt begriffen. Menschen mischen sich überall in Entscheidungsprozesse ein, egal, ob sie arm oder reich sind, Macht haben oder nicht. Bürgerinitiativen und Organisationen wie das Rote Kreuz, amnesty international, Ärzte ohne Grenzen, Greenpeace oder Attac sowie unzählige private Hilfsprojekte und Stiftungen zeigen, dass die unterschiedlichsten Interessengruppen die Aufgaben des 21. Jahrhunderts ernst nehmen und daran arbeiten.
So gesehen, sitzen wir alle in einem Boot. Macht und Reichtum scheinen dann nicht als das Ende der Zivilisation, sondern als ihre Hoffnung. Ohne Reichtum, den man umverteilen kann, ohne Macht, die Gutes bewirkt und die längst nicht immer nur in den falschen Händen ist, ohne engagierte Politiker, ohne Geldgeber, die alle möglichen Projekte finanzieren, ohne die Kaufkraft derer, die sich Kunst und Kunsthandwerk auch leisten können, würde die Welt des Guten und Schönen schon lange nicht mehr existieren. Und auch in Zukunft ist sie davon abhängig, dass irgendwo ein Mehrwert, ein Gewinn, ein Überfluss erwirtschaftet wird. Und darin besteht die Gegenleistung: Ohne das Gute und Schöne wäre die Welt des Geldes und der Macht nicht lebenswert.
Die Patchwork-Biografie
Früher sagten die Leute: Man soll nicht auf zwei Hochzeiten tanzen. Was, nur auf zwei? So würde es heute heißen. Keine berufliche Mehrgleisigkeit anzustreben stammt aus einer |93| Zeit, in der es erstens nicht üblich war, nach den Sternen zu greifen (ich bin nur der Sohn eines Postboten, aber ich möchte ein großer Erfinder werden), zweitens nicht mitten im Lauf die Pferde zu wechseln (ich mache jetzt erst mal eine Banklehre, aber später will ich ein Hotel aufmachen und außerdem noch lernen, wie man alte Autos repariert). Man blieb bei dem einmal gewählten Beruf, und oft ging die Tätigkeit des Vaters automatisch auf den Sohn über. Einiges davon hat bis in die heutige Zeit überlebt. Im Jahr 2002 streikten die italienischen Eisenbahner, als die Regierung beschlossen hatte, das Recht der Vererbung eines Eisenbahnerpostens auf den erstgeborenen Sohn abzuschaffen.
Auch viele kleine und mittlere Unternehmen funktionieren bis heute so. Noch immer gibt es ganze Familiendynastien, die seit Generationen nichts anderes tun, als Wein zu keltern, Torten zu backen oder Schuhe zu fertigen, und man muss gar nicht lange suchen, bis man ein Beispiel dafür findet. Für solche Familien liegt der Sinn ihrer Arbeit schon allein in der Weiterführung ihrer Firmen bis ins nächste Jahrzehnt oder gar ins nächste Jahrhundert. Das ist mehr als nur das Werk eines Lebens. Es ist ein Generationenprojekt, und es scheitert, wenn die berufliche Einschränkung, die es für alle Familienmitglieder mit sich bringt, nicht mehr hingenommen wird und die Kinder das Lebenswerk der Eltern nicht fortführen wollen.
Obwohl es sie noch gibt, wirken solche Familienunternehmen wie Relikte aus einer vergangenen Zeit. Sie sind Ausnahmen, nicht die Regel, denn der Trend geht in eine andere Richtung. Eine andere Arbeitswelt wird sichtbar: Sie ist unsicher geworden, bietet aber dem Einzelnen auch mehr Freiheiten. Es muss nur gelingen, mit dieser Freiheit zurechtzukommen und das Arbeitenwollen in den Vordergrund zu stellen. Weil der Spaß an der Arbeit den Menschen immer wichtiger wird, kann es länger dauern, bis alle ihren Platz gefunden haben. Sie müssen erst Verschiedenes ausprobieren. |94| Das passt gut zum permanenten Wandel der Arbeitswelt, der sie ohnehin dazu zwingt, sich ständig auf neue Bedingungen einzustellen. Je mehr über die Arbeit geredet wird – und das ist gegenwärtig der Fall –, desto mehr kommt auch der arbeitende Mensch zum Vorschein und desto deutlicher wird: Er will arbeiten und er will, dass es ihm Spaß macht. Die Suche danach betreibt er unter Umständen sein Leben lang.
Dass immer mehr Menschen ihre Möglichkeiten nutzen wollen und auch müssen, ist etwas Ungewohntes. Und nicht allen fällt es leicht, mit der Freiheit des Wählens zurechtzukommen, weil sie auch bedeutet, dass man ständig folgenschwere Entscheidungen treffen muss. Trotzdem ist der Trend hin zur beruflichen Mehrgleisigkeit nicht mehr zu stoppen. Es wird immer
Weitere Kostenlose Bücher