Arbeit - Leben - Glueck
selbstverständlicher, das Arbeitsleben als eine Art Puzzlespiel zu betrachten, das erst nach und nach ein Gesamtbild ergibt. »Patchwork-Biografie« hat sich als Begriff dafür durchgesetzt.
Positiv formuliert sind Patchworker Menschen, die auf der Suche nach dem richtigen Beruf und nach einer für sie sinnvollen Arbeit mal das eine und mal das andere ausprobieren. Die Brüche in ihrer Biografie erleben sie als willkommene Abwechslung und Herausforderung. Die einen bewegen sich dabei tatsächlich auf das zu, was sie »eigentlich« wollen, die anderen treiben immer weiter, gehen gelegentlich irgendwo vor Anker, finden aber das, was sie suchen, nicht.
Negativ formuliert bleibt vielen Menschen gar keine andere Wahl. Sie müssen herumsuchen und dauernd etwas Neues anfangen, weil sie immer wieder arbeitslos werden. Der amerikanische Soziologe Richard Sennett macht das in seinem Buch
Der flexible Mensch
zum Thema. Er vergleicht die Patchworker mit den klassischen Arbeitnehmern, um die es im Kapitel »Von Arbeit leben« gehen wird: Während der klassische Arbeitnehmer bis zur Rente vorausplanen konnte |95| und die Sicherheit seines Arbeitsplatzes auch im Privatleben für stabile Strukturen sorgte (Bausparverträge, Eigenheim, gewachsene Nachbarschaft, Skatrunden, intakter Freundeskreis, nahe Verwandte), können Patchworker oft keine Wurzeln schlagen. Sie sind nicht etwa freier, sondern weit mehr als klassische Arbeitnehmer dazu gezwungen, jede Gelegenheit zu ergreifen, die sich bietet. Ohne einen Partner, der ein regelmäßiges Einkommen erzielt, können sie oft gar nicht überleben.
Leute, die einfach nur gern arbeiten, machen sich all diese Gedanken wahrscheinlich gar nicht. Sie können mit beidem gut leben: mit einem festen, langjährigen Arbeitsplatz und mit einem häufigen Wechsel. Sie brauchen nur an etwas zu arbeiten und schon sind sie glücklich. Und sie gedeihen überall: als einfache Arbeiter in einer Fabrik, als freischaffende Künstler vor einer Staffelei. So verschieden ihre Lebensumstände auch sind, sie haben immer Ideen und wollen sie in die Tat umsetzen. Dafür nehmen sie Risiken in Kauf, dafür verkraften sie alle möglichen Rückschläge und Veränderungen. Solche Menschen können sich in der neuen Arbeitswelt besser entfalten denn je. Für alle, die ihr Leben frei gestalten wollen und Ungewissheiten aushalten können, ist sie wie geschaffen.
Das Ganze hat jedoch auch eine ökonomische Seite. Wer könnte ein Buch über die Arbeit schreiben und nicht irgendwann auf das Materielle zu sprechen kommen? Es ist vielleicht nicht das schönste Thema, aber so wichtig wie die vier Räder an einem Auto.
|96| Von Arbeit leben
Arbeiten, um Geld zu verdienen – in diesem Kapitel geht es um das Materielle. Das Einkommen entscheidet mit darüber, inwieweit man sich sein Leben nach eigenen Vorstellungen einrichten und seine Träume verwirklichen kann. Je höher es ist, umso besser.
Manche Arbeiten werden sehr schlecht bezahlt, andere ausgesprochen gut. Eine junge Krankenschwester verdient in einem Monat so viel wie ein junger Flugkapitän in einer Woche. Beide tragen für andere Menschen Verantwortung, beide haben eine qualifizierte Ausbildung. Warum ihre Gehälter so dermaßen weit auseinander liegen, ist nur schwer zu verstehen.
Andere Fragen rund ums Einkommen lassen sich dagegen leichter beantworten. Wie errechnet sich das Einkommen? Was heißt brutto, was heißt netto? Was ist ein Freiberufler? Die Antworten auf diese Fragen helfen zwar nicht unbedingt bei der Berufswahl, aber es ist trotzdem gut, wenn man sie kennt. Der Verkauf der »Ware Arbeitskraft« ist ein Geschäft wie jedes andere auch. Man sollte den eigenen Wert kennen und wissen, welche Bedingungen man stellen kann.
Der Arbeitnehmer. Urform und Abweichung
Im Jahr 2003 hatte Deutschland rund 82 Millionen Einwohner. Davon waren etwa 36 Millionen erwerbstätig. Entweder als Angestellte (ca. 19 Millionen), als Arbeiter (ca. 11 Millionen), |97| als Beamte (ca. 2 Millionen) oder als Selbstständige und Freiberufler (ca. 4 Millionen). Angestellte und Arbeiter sind Arbeitnehmer. Sie haben Pflichten, aber sie haben auch Rechte. Anders ausgedrückt: Dafür, dass Arbeitnehmer sich in den Dienst eines Arbeitgebers stellen, genießen sie einen besonderen Schutz. Sie haben ein garantiertes Einkommen und eine Sozialversicherung, die sie vor Verdienstausfall durch Krankheit, Arbeitslosigkeit und Alter schützt. Hinzu kommt
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