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Arbeit - Leben - Glueck

Arbeit - Leben - Glueck

Titel: Arbeit - Leben - Glueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Schulze
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Klaus Esser dafür gezahlt wurde, dass er die feindliche Übernahme der Aktiengesellschaft durch die englische Firma Vodafone nicht verhinderte, haben sich tief ins kollektive Gedächtnis eingegraben. An sie denken wir mit Recht immer dann, wenn es um die Frage geht, wer welche Opfer bringen soll, damit es allen gut geht.
     
    Es ist nützlich, die Grundzüge der aktuellen Arbeitszeit-Diskussion zu kennen, auch wenn man persönlich kaum davon betroffen sein wird. Viele, die dieses Buch lesen, werden nie |128| eine geregelte Arbeitswoche mit 35 oder auch nur 40   Stunden haben. Überstunden werden für sie ebenso selbstverständlich sein wie das Zugeständnis, nicht den ganzen ihnen zustehenden Jahresurlaub zu nehmen, sondern ihn einfach verfallen zu lassen. Für sie wird es später im Leben vor allem darum gehen, sich vor Mehrarbeit und Ausbeutung zu schützen. Der nächste Abschnitt erläutert, wie Überstunden entstehen und auf welcher Grundlage sie verlangt werden.
    Zeit ist alles, was wir haben: die Überstunde
    Auf dem Arbeitsmarkt bieten wir nicht nur unsere Arbeitskraft an, sondern auch einen Teil unserer Lebenszeit. Das ist unser kostbarster Besitz, denn während sich unsere Kraft noch bis ins hohe Alter täglich erneuern kann, geht die Zeit unwiederbringlich dahin. Zeit ist alles, was wir haben, und umso erstaunlicher ist es, dass so viele Menschen mehr arbeiten, als gut für sie ist.
     
    Die Zahl der unbezahlten Überstunden steigt seit vielen Jahren an, während die der bezahlten zurückgeht. Das hat vor allem zwei Ursachen. Erstens: Überstunden werden von vielen Arbeitnehmern lieber mit Freizeit ausgeglichen. Zweitens: Es gibt immer mehr Angestellte mit außertariflichen Verträgen (A T-Angestellte ). Ihre Gehälter orientieren sich zwar ganz grob an den orts- und branchenüblichen Tarifen, liegen aber deutlich darüber. Wie viel Mehrarbeit das etwas bessere Einkommen jedoch abdecken soll, ist oft nicht klar vereinbart, und es gilt als unfein, wenn man überhaupt danach fragt. Die betroffenen Angestellten sagen also meist nicht Nein, wenn sie immer mehr Arbeit auf den Tisch bekommen. Sie lassen sich ausnutzen, weil sie hoffen, Karriere |130| zu machen oder ihren Job nicht verlieren wollen. Stattdessen werden viele nur verheizt. Besonders Berufsanfänger werden einer regelrechten Feuertaufe unterzogen, denn sie sind voller Energie, ehrgeizig und belastbar.
     
    |129| Wie viele arbeiten länger als 45   Stunden pro Woche?
    Quelle: Organization for Economic Cooperation and Development (OECD); Trends in International Migration, New York, 2001.
    Überall wird Personal eingespart und mit möglichst wenig Mitarbeitern möglichst viel gearbeitet. Besonders im A T-Bereich , weil die Gehälter hoch sind und Überstunden selbstverständlich. Auch der Kündigungsschutz trägt massiv dazu bei, dass Überstunden entstehen. Kein Arbeitgeber kann Leute einstellen, wenn er sie braucht, und wieder entlassen, wenn er sie nicht braucht. Da es nicht möglich ist, die Zahl der Beschäftigten der Auftragslage anzupassen, wird sie eben möglichst niedrig gehalten.
    Mehr Überstunden entstehen auch dadurch, dass die Arbeit ihre Grenzen verliert. Eine dieser Grenzen war die feste Arbeitszeit. Wurden die Lockerungen (Gleitzeit und Kernzeit, Wegfall der Anwesenheitspflicht) zunächst von allen Beteiligten begrüßt, so zeigt sich heute, dass bei A T-Angestellten die neue Freiheit vor allem zu einer Ausweitung der Arbeitszeit führt. Das Problem ist nicht mehr, wann man morgens mit der Arbeit anfängt, sondern wann man abends wieder damit aufhört.
    Eine andere Grenze der Arbeit war ihre Gebundenheit an den Arbeitsplatz. Die moderne Kommunikationstechnik erlaubt es jedoch heute, an allen möglichen Orten zu arbeiten. Am Wochenende ein paar geschäftliche Mails abholen, lesen und beantworten? Kein Problem. Mal eben den Anruf eines Geschäftskunden entgegennehmen? Wer könnte da Nein sagen. Noch schnell was zu einer wichtigen Konferenz in Tokio mailen? Kein Thema. Dauernde Erreichbarkeit per Handy, Fax und E-Mail sind selbstverständlich geworden. Seit 1985 hat sich die Zahl der Arbeitnehmer, die auch zu Hause arbeiten, mehr als verdoppelt. Ihr Anteil wird heute auf etwa 20   Prozent aller Erwerbstätigen geschätzt.
    |131| Immer mehr Überstunden, immer weniger Freizeit, immer weniger Privatsphäre   – so lautet die Formel für alle, die es im Beruf zu etwas bringen wollen. Wer erfolgreich sein will, verzichtet auf Freizeit

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