Arbeit - Leben - Glueck
desto mehr Geld verdient er. Bei einem Anwalt entscheidet der Streitwert eines Verfahrens über die Höhe seines Einkommens. Auch Spezialgebiet, Größe der Kanzlei und Prestige der Kunden sind wichtig. Sein Beratungshonorar ist zwar durch eine Gebührenordnung geregelt, entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg ist aber, von wem er welche Aufträge bekommt. Das gilt auch für Architekten. Das Prestige ihrer Werke bestimmt über ihren Erfolg, und dieses wiederum hängt davon ab, was die Auftraggeber ausgeben wollen. Die Beispiele auf Seite 120 sollen das verdeutlichen.
|120| Apotheker Müller verdient gut, weil sich seine Apotheke neben drei Arztpraxen in einer viel besuchten, eleganten Fußgängerzone befindet.
Apotheker Meier kommt gerade so über die Runden, weil seine Apotheke zwischen ein paar heruntergekommenen Mietshäusern an einer vierspurigen Schnellstraße liegt.
Dr. Hinz verdient gut, weil er auf ein Fachgebiet spezialisiert ist, viele komplizierte Untersuchungen in seiner Praxis durchführen kann und ein eigenes Labor hat.
Dr. Kunz hat zwar stets ein gut gefülltes Wartezimmer, nimmt sich aber viel Zeit für seine Patienten. Er redet mit ihnen darüber, wie sie durch Verhaltensänderungen ihre Gesundheit erhalten können. Das bringt nichts ein. Am Monatsende hat er Schwierigkeiten, die Miete für seine Praxis zu bezahlen, und hat deshalb einen Nebenjob beim Roten Kreuz angenommen.
Anwalt Glatt verdient gut. Er vertritt Kunden aus Industrie und Highsociety. Er ist Partner in einer großen Kanzlei, die mehrere Angestellte beschäftigt.
Anwalt Krause verteidigt Kleinkriminelle und Sozialhilfeempfänger, hat ein Büro in einer kleinen Seitengasse hinter dem Hauptbahnhof und muss sich seinen Kaffee selbst kochen. Er steht ständig kurz vor der Pleite.
Architekt Groß verdient gut. Er wohnt in einer Luxusvilla, weil er Häuser für Leute baut, die sich ebenfalls Luxusvillen leisten können.
Architekt Klein wohnt in einer Altbauwohnung mit Blick auf den Hinterhof, weil er Einfamilienhäuser für junge Familien entwirft, die jeden Euro zweimal umdrehen müssen. Ohne seine Frau, die ein festes Einkommen hat, könnte er nicht überleben.
Selbstständig sind auch viele Handwerker. Sie sind keine Freiberufler, sondern Gewerbetreibende. Kleine und mittlere Handwerksbetriebe unter Führung eines Meisters haben in Deutschland eine lange Tradition, die bis ins Mittelalter zurückreicht. |121| Obwohl das moderne Wirtschaftsleben vor allem von den großen Unternehmen und den weltumspannenden Konzernen bestimmt zu werden scheint, ist es auch heute noch der so genannte Mittelstand, also Betriebe mit unter 500 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz unter 50 Millionen Euro, der unser Wirtschaftsleben bestimmt. Nach dieser Definition sind 99,7 Prozent aller deutschen Unternehmen mittelständisch. Sie bieten rund 70 Prozent der Arbeitsplätze an und stellen 80 Prozent der Ausbildungsplätze bereit. Sie erwirtschaften zusammen fast die Hälfte aller steuerpflichtigen Umsätze.
Während große Konzerne unberechenbar sind und von heute auf morgen Werke schließen und woanders wieder eröffnen, sind viele mittelständische Unternehmen regional stark eingebunden. Die Mitarbeiter kommen aus der Nachbarschaft, die Zulieferbetriebe genauso. Für solche Betriebe ergibt es oft gar keinen Sinn, ihre Produktion ins Ausland zu verlagern und ihren Standort zu wechseln, nur weil anderswo die Arbeit billiger ist. Sie müssen ihr Überleben mit anderen Mitteln sichern. Der Mittelstand setzt der Großindustrie etwas entgegen, das sich auch im Zeitalter des ständigen Wandels und der Kapitalkonzentration als ökonomisch vernünftig erweist: Traditionspflege, Eigensinn, Ausdauer. Kein maximaler Gewinn um jeden Preis, sondern Strukturen, in denen sich alle wohl fühlen: die Kunden, die Mitarbeiter und die Unternehmer selbst. Auch die Kommunen freuen sich wegen der Steuereinnahmen und der Arbeitsplätze über jedes gut gehende Unternehmen. Das folgende Beispiel zeigt, wie Ökonomie auch sein kann:
Evelyns Mutter Hannah ist Marktleiterin. Das Lebensmittelgeschäft, das sie leitet, gehört zu einer großen Supermarktkette. Eines Tages erhält Hannah die Nachricht, dass ihre Filiale geschlossen werden soll, weil sie |122| nicht genug Gewinn abwirft. Doch Kunden gibt es eigentlich genug: Mütter mit ihren Kindern kommen zu ihr, aber auch viele ältere Männer und Frauen, die in den umliegenden Häusern
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