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Arbeit und Struktur - Der Blog

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Titel: Arbeit und Struktur - Der Blog Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Herrndorf
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so.

    “Roadmovies nie verstanden, spätestens nach drei Kapiteln weiß man, da kommt nichts mehr” war ihr Urteil zu den Plüschgewittern. “Warum schreibst du sowas?” zum Van-Allen-Gürtel, “auch nicht schlimmer als Plüschgewitter” zu Tschick. Und zu Sand: “Der Mittelteil ist Mist, dann wird es ganz gut.”

    Und jetzt also reine Scheiße, das sind selbst für Passig harsche Worte.

    Aber irgendwas muß ich ja machen. Ich kann hier nicht rumsitzen. Noch zwölf rezidivfreie Wochen, und das Ding könnte fertig sein.

    4.11. 2011 20:00

    Zum ersten Mal wieder Fußball in der Halle in Marzahn.

    6.11. 2011 20:00

    Grizzly Man von Herzog. Wie Herzog der Frau am Ende rät, die Kassette mit den Schreien der von Bären gefressen werdenden Treadwell und Huguenard zu verbrennen: “Das dürfen Sie sich niemals anhören.” Kein Bild, kein Ton, nur der Gerichtsmediziner, der erklärt, was seiner Meinung nach auf dem Band zu hören gewesen war. Der Mann, der die Frau bittet, wenigstens sich selbst zu retten, das Gebrüll, und wie die Frau dem Bären, der Treadwill zerfetzt, mit der Bratpfanne auf den Kopf haut. Völlig wahnsinniger Film.

    Als ich noch in Nürnberg studierte, hörte ich einmal in der Nacht einen Schrei, der mir durch Mark und Bein ging. Ich öffnete das Fenster und lauschte in Dunkelheit und Stille. Jemand, der es auch gehört hatte, rief die Polizei. Uniformierte stiegen in den Park hinunter, fanden aber nichts. In der Zeitung am nächsten Tag stand auch nichts. Nie wieder etwas Vergleichbares gehört; aber daß man einen bestimmten Schrei tatsächlich nicht mit den Ohren, sondern mit den Knochen hört, wußte ich bis da auch noch nicht. Mark und Bein.

    8.11. 2011 13:30

    Erste von dreizehn Bestrahlungen à 3,8 Gray. Dreiteilige Maske, die den Kopf fixiert, zuletzt ein weißes Netz, das die Nase plattdrückt und das Öffnen der Augen verunmöglicht. Millimetergenau festgeschnallt auf einem per Fernbedienung herum geschwenkt werdenden Metalltisch. Trügen die Assistentinnen noch kleine Lederpeitschen, wäre man rechtschaffen verwirrt.

    Im Gegensatz zum Clinac 3 macht Novalis nur unspektakuläre Geräusche. Woher das Gerät seinen Namen hat, kann mir keiner sagen. So bahnbrechend waren Novalis’ naturwissenschafliche Entdeckungen dann ja auch wieder nicht. Etymologie, de novali, die Neuland roden? So kann man den Vorgang im Hirn da natürlich auch nennen.

    Die von den Strahlen in freie Radikale gespaltenen Wassermoleküle zerschneiden die DNS in den Zellen, wodurch weitere Teilung verhindert wird. Da gesunde Hirnzellen sich beim Erwachsenen ohnehin nicht teilen, egal. Nur die Krebszellen, nicht wahr.

    8.11. 2011 15:45

    Zweimal mit den Tagesthemen telefoniert. Nach meinen schlechten Erfahrungen zuletzt verlange ich eine Zusicherung, daß sich das Interview ausschließlich um Literatur drehen wird. Kein Problem. Das ist man mir auf Anfrage sogar schriftlich zu geben bereit. Und kein Schnittmaterial, ich fahre keine Rolltreppen rauf und runter: Auch kein Problem. Nur ein Studio, zwei Sessel, der Interviewer und Sie – und man darf mich für naiv oder vollkommen verblödet halten, aber erst in diesem Moment wird mir klar, worauf das hinausläuft. Denn selbstverständlich wird es ein Voice-over geben, und daß da kein klagenfurtporträtähnlicher Unfug wie “armer Hirnkranker schreibt sein letztes ergreifendes Buch” herauskommt, kann und will man mir nicht garantieren. Weder schriftlich noch sonstwie. Zweimal fällt der Satz, man sei ein hochseriöser Sender, ein Qualitätsmedium, Herr Herrndorf, Sie kennen uns, wo kommen wir denn hin, wenn der Betroffene jetzt den Beitrag über sich selbst rückkontrolliert? Sowas hat man ja in hundert Jahren Öffentlich-Rechtlichem noch nicht gesehen! Stellen Sie sich vor, ein Politiker würde -

    Ja, der hat aber auch ein Anliegen.

    Sie haben auch ein Anliegen, Sie wollen Bücher verkaufen.

    Ja. Nein. Jedenfalls nicht so dringend, daß ich dafür die hier diskret und offenbar für die meisten Journalisten zu diskret gezogene Grenze zwischen Blog und Marketing plattmachen würde. Danke und auf Wiederhören.

    Überflüssig zu erwähnen, daß in der Qualitätsredaktion bis jetzt noch keiner das Buch bis zum Ende gelesen hat.

    Wieder zwei Stunden Lebenszeit sinnlos vertan. Jetzt ist endgültig Schluß. Dann doch lieber gleich RTL Explosiv, die müssen sich wenigstens nicht den ganzen Tag vormachen, einem vor Jahrzehnten schon in die Tonne gekloppten

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