Arbeitsfrei: Eine Entdeckungsreise zu den Maschinen, die uns ersetzen (German Edition)
qualifiziertem Personal in einer Mühle noch weiter zu reduzieren. Durch immer ausgereiftere und intelligentere Sensoren und eine ausgefeilte Steuerungstechnik soll es zum Beispiel möglich werden, daß die Nachtschicht in der Mühle nicht mehr von einem voll ausgebildeten Müller gefahren werden muß. Automatisches Nachregeln der Walzeneinstellung und anderer Parameter des Mahlprozesses soll dafür sorgen, daß der Routinebetrieb, der im wesentlichen aus dem Ablauf einmal programmierter Prozesse besteht, auch von weniger erfahrenem Personal bewältigt werden kann.
Die Automatisierung zielt jedoch auch auf einen anderen Teil der Mühle, in dem noch viele Menschen arbeiten: die Qualitätssicherung. Der nächste Schritt ist hier, vollautomatische Analysesysteme für die entscheidenden Mehlparameter direkt in das Rohrlabyrinth der Mühle einzubauen. Ein automatisches Spektrometer nimmt dazu aus dem laufenden Mehlstrom in regelmäßigen Abständen Proben, die ohne menschliches Zutun analysiert werden.
Wie in großdimensionierten Mühlen zu beobachten ist, hat auch Bühler große Labors. Auf mehreren Stockwerken arbeiten hier Dutzende Laboranten, Lebensmittelchemiker und Biologen. Der Meßgerätepark ist um ein Mehrfaches größer als die schon beeindruckende Ausstattung der Labors großer Mühlen. Hier werden nicht nur die Mahlergebnisse aus der hausinternen Entwicklung neuer Maschinen begutachtet. Auch Kunden schicken Proben ein, um Hinweise für die optimale Einstellung ihrer Mühlen zu erhalten.
Ein weiterer großer Arbeitsbereich ist die Entwicklung neuer Produkte gemeinsam mit den Kunden. In einer separaten Halle stehen alle wesentlichen Maschinen für Versuche bereit. Auf diese Weise kann zum Beispiel ein Hersteller von Cornflakes direkt ausprobieren, ob eine neue Maschine oder eine innovative Konfiguration einer bestehenden Anlage geeignet ist, um eine modifizierte Art von Frühstücksflocken zu produzieren.
Neben der abgeschirmten Halle für Kundenversuche und dem ebenfalls separierten Bereich für die Entwicklung eigener neuer Maschinen gibt es eine weitere Halle, in der alle Standardprodukte auf dem jeweils neuesten Stand der Technik für Vorführung und Erprobung bereitstehen. Hier kann der interessierte Kunde etwa erkunden, wie eine Schiffsentladeanlage funktioniert und gesteuert wird oder wie ein automatisches Mehlsack-Abfüllsystem aufgebaut ist.
Eine interessante Besonderheit der Arbeitswelt in dem Schweizer Familienkonzern ist der Umgang mit den Mitarbeitern. Bühler ist mit weitem Abstand der größte Arbeitgeber in der Region. Ein umfangreiches Ausbildungsprogramm sorgt dafür, daß ein ausreichendes Reservoir an Mitarbeitern mit der richtigen Qualifikation herangebildet wird. Bühler geht sogar so weit, das aus dem deutschsprachigen Raum bekannte duale System der Lehrlingsausbildung – praktische Ausbildung plus Berufsschule – in die Länder zu exportieren, in denen das Unternehmen große Standorte unterhält.
Trotz der Tatsache, daß einige Geschäftsbereiche des Unternehmens starken Zyklen unterworfen sind, konnte sich kein befragter Mitarbeiter daran erinnern, daß es betriebsbedingte Kündigungen gegeben hätte. Der Firmenpatriarch und Konzernchef der Aktiengesellschaft, Urs Felix Bühler, dessen Familienstammvater Müller war, erhält auf Mitarbeiterversammlungen stehende Ovationen. Das Prinzip Bühler scheint vielmehr darauf zu beruhen, neue Geschäftsbereiche aufzubauen, wann immer in einem anderen Bereich durch die Automatisierung und Rationalisierung Arbeiter frei werden.
Durch Zukäufe und Eigenentwicklung ist die Firma längst nicht mehr nur in der Getreideverarbeitung tätig. Die Expertise des präzisen Mahlens, Mischens und Verrührens wurde auch auf Maschinen für die Schokoladenproduktion ausgedehnt. Denn entscheidend für die Qualität von Schokolade ist der Mahlgrad des Kakaos und anderer Zutaten. Das zartschmelzend sahnige Gefühl auf der Zunge stellt sich nur ein, wenn alles möglichst fein vermahlen und gleichmäßig verrührt ist. Sind die Zutaten zu grobkörnig, ist das Geschmackserlebnis eher sandig-grießig.
Auch für die Schokoladenproduktionsmaschinen gibt es bei Bühler eine Versuchsanlage, die ein abgeschirmter Hygienebereich ist, aus dem es jedoch verführerisch nach Schokolade und Vanille duftet. Nebenan gibt es gleich noch die Versuchs- und Vorführanlagen für die Produktion von Pasta und Nudeln sowie für alle nur denkbaren Formen von Cerealien – bis hin zu
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