Arbeitsfrei: Eine Entdeckungsreise zu den Maschinen, die uns ersetzen (German Edition)
verschiedener Getreidequalitäten auch dann gezielt zu steuern, wenn die Qualität des Ausgangsgetreides nicht optimal ist. So ließen sich auch Teile von Getreidepartien für die menschliche Ernährung nutzen, die sonst nur noch als Futter taugen würden. In einer anderen Maschine wird die Kleie, die nach dem Mahlen übrigbleibt, noch einmal gerüttelt und geschlagen, um auch noch die letzten anhaftenden Mehlkrümel zu separieren.
Das zweite große Thema in der Belegschaft der Bühler AG ist die Sicherheit der Lebensmittel vor Verunreinigungen. Auch das technische Wunderwerk der Sortex-Maschine, die jedes einzelne Korn, das in einer Mühle verarbeitet werden soll, mit Kameras sichtet, kontrolliert und gegebenenfalls aussortiert, ist ein Bühler-Produkt. Optimiert wird hier nicht nur die Erkennungsleistung, also die zuverlässige Identifikation von Verunreinigungen wie Mutterkorn, sondern auch die möglichst gezielte Entfernung einer entdeckten Verunreinigung, ohne allzu viel gesundes Korn aus dem Getreidestrom zu entfernen. Die genaue Einstellung dieser Parameter ist genauso wichtig wie die Erweiterung der Kamerakontrolle zur Erkennung neuer Problemklassen.
Der Ausbau der Lebensmittelsicherheit nimmt in den westlichen Ländern teilweise unerwartete Formen an. Aktuell ist etwa die Belastung des Mehls mit Mikroorganismen ein vieldiskutiertes Thema. Mikroorganismen überleben die Hitze des Backens allerdings nicht, im fertigen Brot stellen sie daher keine Gesundheitsgefahr dar. Das diskutierte Risiko besteht vielmehr darin, daß offenbar immer mehr Menschen gern rohen Teig verzehren. Dabei geht es weniger um das gelegentliche Naschen von ungebackenem Keksteig, sondern um den gezielten Einkauf und Verzehr von eigentlich zum Durchbacken vorgesehenen Fertigteigprodukten. Natürlich tragen die entsprechenden Produktverpackungen deutliche Warnhinweise, sie werden offenbar gern ignoriert.
Die Produktion im Unternehmen Bühler ähnelt strukturell und auch in vielen Details dem, was bereits in der Mähdrescherproduktion bei Claas beobachtet werden konnte. Grobe, anstrengende Routinearbeiten wie das Laserzuschneiden, Stanzen, Schweißen oder Lackieren der vielfältigen Blechteile werden – soweit es irgend geht – automatisiert. Die fertigen Teile wandern dann zum Montageband, an dem noch weitgehende Handarbeit vorherrscht.
Diese Struktur der Arbeitsaufteilung ergibt sich daraus, daß bei der Firma Bühler stärker noch als bei Claas eine große Vielfalt an individuellen Produktvarianten hergestellt wird. Bei Bühler kann man alles kaufen, vom einzelnen Walzenstuhl bis zur fertigen Mühle, die auf dem grünen Acker errichtet wird. Die kleinste Bühler-Mühle schafft dreißig bis fünfzig Tonnen Getreide pro Tag, so richtig effizient fühlt sich aber eigentlich erst eine Mühle ab zweihundert Tonnen pro Tag aufwärts an. Eine große Einheit setzt in der gleichen Zeit eintausend Tonnen Getreide durch, bei Bedarf können auch mehrere kombiniert werden.
Dementsprechend unterschiedlich in Größe, Bauart und Volumen sind die Maschinen, die über das Montageband laufen. Bühler baut auch all die digitalen Steuerungssysteme, mit denen eine moderne Mühle betrieben und programmiert wird. In einer der großen Hallen arbeiten überwiegend Frauen an den dazu notwendigen Schaltschränken, die anhand plakatgroßer Verkabelungspläne zusammengesetzt werden. Entsprechend den Kundenvorgaben haben die Ingenieure vor Ort und in den Konzeptionsbüros die notwendigen Sensoren, Motorsteuerungen und Schaltelemente vorgeplant.
Zusammen mit den Mahlmaschinen, Rohren, Förderbändern und Abfüllautomaten wird die Steuerungstechnik in großen Holzkisten verpackt und zur Mühle des Kunden verschifft. Vor Ort bauen Bühler-Ingenieure und -Techniker das komplexe Wunderwerk zusammen und nehmen es in Betrieb. Deswegen hat das Schweizer Familienunternehmen Niederlassungen rund um die Welt, die jeweils die Projekte vor Ort betreuen. Interessant ist dabei, wie die Produktentwicklung direkt von den Anforderungen der verschiedenen Märkte beeinflusst wird. Während die Müller in den westlichen Ländern größten Wert auf eine hohe Flexibilität der Anlage legen, um sich auf geänderte Erfordernisse, wie etwa neue Gebäcktrends, einzustellen, ist etwa in China eine möglichst große Durchsatzleistung für einige wenige Standardeinstellungen weit oben auf den Wunschlisten der Kunden.
Bei Bühler wird parallel daran geforscht, den notwendigen Anteil an
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