Arbeitsfrei: Eine Entdeckungsreise zu den Maschinen, die uns ersetzen (German Edition)
Gesamtlänge. Dieses unüberschaubare Gewirr in Funktion zu halten ist die Aufgabe von zwei verschiedenen Gruppen: Planer und Wartungstechniker. Die Planer versuchen – zunehmend mit Unterstützung von intelligenter Software –, anhand großer Datenbanken der Anlagenteile, ihres Alters und der letzten Wartungsmaßnahmen abzuschätzen, wann eine bestimmte Anlage, wann welches Rohrsegment geprüft und gegebenenfalls ausgetauscht werden muß.
Die Aufgabe ist hochkomplex: Wird die Wartung zu früh angesetzt, ist häufig noch nicht viel zu reparieren, und die entsprechende Teilanlage wurde unnötigerweise für die Prüf- und Reparaturzeit außer Betrieb genommen. Da alle Teile der Raffinerie mit anderen Teilen zusammenhängen, können Kosten dafür in die Millionen gehen. Setzt man die Prüfung und Wartung hingegen zu spät an, können leicht Schäden und daraus resultierende Folgeschäden entstehen, die gegebenenfalls noch teurer sind und vor allem zu einem unvorhersagbaren Zeitpunkt entstehen. Die Planer sind in der Regel erfahrene Operators, die schon viele Jahre in Raffinerien gearbeitet haben und die Anlagen sehr gut kennen. Oft entscheidet man sich dafür, die Inspektionsdichte im laufenden Betrieb bei alten Rohren und Anlagen zu erhöhen. Es geht einfach öfter jemand vorbei als sonst üblich und schaut, ob es Anzeichen von Korrosion, Lecks oder maroden Schweißnähten gibt und ob sich Ventile und Pumpen normal verhalten.
Die Wartungen und Reparaturen werden, wie schon erwähnt, zumeist von spezialisierten Vertragsunternehmen ausgeführt. Die Arbeit ist komplex, teilweise gefährlich und anstrengend. Oft müssen Rohrleitungen ausgetauscht oder gereinigt werden, die direkt neben anderen Rohren liegen, die mit heißen, brennbaren Flüssigkeiten und Gasen gefüllt sind. Fehler beim Schweißen oder Trennschneiden können in Sekundenbruchteilen zu Explosionen und Bränden führen. Es gibt zwar eine zunehmende Zahl von immer besseren Diagnosesystemen für Schweißnähte und Materialermüdungen, Roboter zum Leitungsreinigen und Schweißroboter, die selbsttätig perfekte Schweißnähte an Rohren ausführen. Der Hauptteil der Arbeit ist jedoch immer noch, bei Wind und Wetter in Gerüsten voller Rohrbündel herumzuklettern, sich in dem komplexen Gewirr zurechtzufinden und mit äußerster Sorgfalt tonnenschwere Stahlkonstrukte zu handhaben.
Bei den großen Wartungen für die Sicherheitsüberprüfungen müssen einige der Reaktionsgefäße in den Destillerien und Crackern auch per Hand von innen gereinigt werden. Dazu muß man im Schutzanzug mit Sauerstoffversorgung in das Innere der Stahltürme klettern und mit einem Gemisch von Dampf und Lösungsmitteln den über Jahre angesammelten Gunk von den Wänden und Kondensatablagen kärchern – kein Job für zartbesaitete Gemüter. Einige dieser Arbeiten werden in absehbarer Zeit automatisierbar, etwa die Innenreinigung von Behältern und Reaktoren oder die Inspektion von Über-Land-Pipelines. Für den größten Teil der Arbeit der etwa zweitausend Wartungstechnikerjobs in einer großen Raffinerie ist das jedoch schwer vorstellbar.
Ähnlich wie schon an anderen Orten unserer Reise ist auch in der Raffinerie eine nicht unerhebliche Zahl Mitarbeiter im Labor tätig. Die Öllaboranten untersuchen permanent die Qualität und Eigenschaften des hereinkommenden Öls und der daraus hergestellten Produkte. Für verschiedene Lösungsmittel und Treibstoffe ist es sogar üblich, daß für den jeweiligen Batch ein Laborprotokoll an den Käufer geschickt wird, damit dieser sich auf die Reinheit und Zusammensetzung wirklich verlassen kann.
Wie schon in der Mühle beobachtet, ist auch hier in den nächsten Jahren nochmals ein Automatisierungsschub zu erwarten. Automatische Sensoren für komplexe Untersuchungen werden gerade preiswerter, so daß in absehbarer Zeit damit zu rechnen ist, daß man an allen Stellen der Anlage, wo es sinnvoll erscheint, die chemischen Analysen, die bisher weitgehend im Labor geschehen, direkt in den Rohren durchführen und in die Steuercomputer einspeisen kann. So sind es ironischerweise auch hier eher qualifizierte Arbeitsplätze im Labor, die noch wegautomatisiert werden könnten, als die harte und gefährliche Arbeit der Wartungstechniker.
Justin Hamel
9. Transportlogistiker und automatische Lageristen
Bevor das Brot zum Kunden kommt und das Getreide zum Bäcker, das Saatgut und die Pestizide zum Bauern und die Ersatzteile zum Mähdrescherfahrer, durchlaufen
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