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Arbeitsfrei: Eine Entdeckungsreise zu den Maschinen, die uns ersetzen (German Edition)

Arbeitsfrei: Eine Entdeckungsreise zu den Maschinen, die uns ersetzen (German Edition)

Titel: Arbeitsfrei: Eine Entdeckungsreise zu den Maschinen, die uns ersetzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Kurz , Frank Rieger
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rechtzeitig vorzubeugen ist die Aufgabe von Reparaturtrupps, die in ihren blauen Overalls tagsüber – in dringenden Fällen auch nachts im Schein der Flutlichter – permanent irgendwo in der Anlage bei der Arbeit sind. Im Gegensatz zu den Operators in ihren roten Overalls sind diese Mechaniker und Installateure keine Angestellten des Konzerns, der die Raffinerie betreibt. Sie gehören zu Vertragsunternehmen, die für die Errichtung und Wartung aller Anlagen der Raffinerie und ihrer Nebenwerke zuständig sind.
    Diese Unternehmen sind meist hochspezialisierte Dienstleister, eine Arbeitsteilung, wie sie in der Ölindustrie sehr oft anzutreffen ist. Praktisch alle Anlagen und Maschinen werden nicht vom Ölkonzern selbst hergestellt und gewartet, sondern von Spezialunternehmen, mit denen man sehr eng zusammenarbeitet – vom Bohrkopf auf der Ölbohrinsel bis zum Hydrocracker in der Raffinerie. Einer der Gründe dafür – neben den offensichtlichen Vorteilen der Konzentration auf eine Spezialisierungsrichtung – ist, daß es zwar einen relativ gleichbleibenden Anfall an Reparaturaufträgen für die Routinewartung während des Betriebs der Anlage gibt. Doch bei den turnusmäßigen Generalwartungen, die alle fünf bis sieben Jahre durchgeführt werden müssen, um die Sicherheitszulassung zu behalten, werden plötzlich statt der üblichen im Schnitt etwa zweitausend Monteure und Wartungstechniker über siebentausend Menschen benötigt.
    Da es ja nicht nur einen Ölkonzern mit wenigen Raffinerien in Europa gibt, zieht dieses kleine Heer von Spezialisten typischerweise von Anlage zu Anlage, je nachdem, wo gerade aufwendige Arbeiten durchgeführt werden müssen. Die Ölkonzerne koordinieren informell ihre Wartungs- und Bauzyklen, schon um zu vermeiden, daß sie zur gleichen Zeit händeringend auf der Suche nach den nötigen Experten sind und Mondpreise für sie zahlen müßten, weil diese gerade in großer Zahl bei der Konkurrenz eine Generalwartung durchführen oder eine neue Anlage errichten.
    Der Konkurrenzkampf im Ölgewerbe ist dennoch hart, es herrscht ein ungewöhnliches Nebeneinander von erstaunlich alten Anlagen mit sehr langen Betriebszeiten. So kann ein Primärdestillationssystem einer Raffinerie bereits seit der Nachkriegszeit betrieben und immer wieder erweitert und modernisiert werden, umgeben von hochmodernen Neuanlagen, die durch ihren Technologievorsprung Konkurrenzvorteile ermöglichen. Meist geht es um höhere Energieeffizienz, bessere Ausnutzung des Rohöls, möglichst saubere Endprodukte oder die Erzeugung von völlig neuen Produkten, um neue Absatzmärkte zu eröffnen.
    Die neuen Anlagen werden ausschließlich von spezialisierten Firmen errichtet, die diese dann mit Hilfe der Operators und Anlagenplaner des Raffinerieunternehmens in das Gesamtsystem der bestehenden Raffinerie einschleifen. Wenn alles reibungslos läuft – die Inbetriebnahme und Feineinstellung kann mehrere Monate dauern –, wird der Betrieb dann von den Operators übernommen. Wartung und Reparatur der Anlage bleiben aber auch danach Aufgabe der Mitarbeiter der Errichterfirma oder spezialisierter Wartungsdienstleister.
    Das Gesamtkonstrukt Raffinerie wirkt trotz oder gerade wegen seiner extremen Verflochtenheit und Komplexität fragil, anfällig und verletzlich. Daß es überhaupt möglich ist, ein derart großes System aus Prozessen und Anlagen, die völlig voneinander abhängig sind, sicher zu betreiben, grenzt für den Betrachter an ein Wunder. Nur dank ausgefeilter Software und computerisierter Steuersysteme bleibt das Gesamtsystem stabil.
    Wie dramatisch sich selbst kleine Fehler auswirken können, zeigte sich vor einigen Jahren in den Niederlanden. Die großen Raffinerien, die vom Rotterdamer Hafen versorgt werden, verfügen zwar über eigene Kraftwerke, um für den Eigenbedarf zu produzieren und normalerweise auch noch Strom ins öffentliche Netz abzugeben. Am 14. Juli 2005 kam es jedoch dort zu einem fatalen Problem, höchstwahrscheinlich durch einen Fehler im Umspannwerk, das die umliegenden Raffinerien der verschiedenen Konzerne mit dem öffentlichen Netz verbindet. Das Ergebnis war, daß nicht nur das öffentliche Stromnetz in der ganzen Region ausfiel, sondern auch die eigenen Kraftwerke der Ölunternehmen stromlos wurden und abschalteten. Gleich mehrere der größten Raffinerien Europas waren plötzlich ohne Strom.
    Pufferbatterien konnten noch die Kontrollräume und die allerwichtigsten Ventile, Pumpen und Sensoren mit

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