Arbeitsfrei: Eine Entdeckungsreise zu den Maschinen, die uns ersetzen (German Edition)
und Mimik geben uns – ohne viel Nachdenken – viele Informationen, die der autonomen Steuersoftware derzeit noch nicht einmal im Ansatz zur Verfügung stehen. Menschen wissen aus Erfahrung oft schon aufgrund vordergründig unwichtiger Fakten, die nebenher wahrgenommen werden, wie ein anderer Verkehrsteilnehmer einzuschätzen ist. Fahrzeugtyp, Kennzeichen oder Geschlecht des Fahrers sowie simple Dinge wie Frisur, Kopfbedeckung, Aufkleber oder tiefergelegte Breitreifen signalisieren eben auch ein typisches wahrscheinliches Fahrverhalten.
Die Forscher arbeiten jedoch derzeit erst mal daran, die Lichtsignale, die uns die Orientierung im Straßenverkehr erleichtern, für den Computer zu erschließen. Das sind zum einen die Blinker an Autos, Lkws und Motorrädern. Wiederum ist es für den Menschen ein Leichtes, ein blinkendes Licht auf der rechten Seite eines Fahrzeugs als Abbiegesignal zu erkennen. Generell sind die Lichtzeichen im Verkehr für den menschlichen Betrachter optimiert, sie sollen warnen, hinweisen und aufmerksam machen. Für die Bildauswertungssoftware gelingt das Erkennen bereits gut bei normalen, relativ standardmäßig aussehenden Autos und Lkws, die mit äquidistantem Rhythmus und gleichbleibender Helligkeit blinken.
Schwierig wird es etwa bei blinkenden Mopeds und Motorrädern oder gar, wenn ein Radfahrer per Armschwenken sein Abbiegen signalisiert – falls er es überhaupt für nötig hält. Zu unterscheiden, ob es sich bei einer Lichtquelle mit sich verändernder Lichtintensität an der Ecke eines Objekts, das vielleicht ein anderes Fahrzeug ist, um einen Blinker oder eine bloße Reflexion von Sonnenlicht handelt, fällt Software deutlich schwerer als einem Menschen, ebenso das Auseinanderhalten der Blinker von dicht hintereinanderstehenden Autos. Dadurch, daß Größe, Form und Anbringungsort von Blinkern nicht in einer Art und Weise standardisiert sind, die eine maschinelle Erkennung einfach machen, besteht viel Raum für algorithmische Fehlinterpretationen.
Ein ähnlich gelagertes Problem ist die Erkennung von Ampeln und ihren jeweiligen Schaltzuständen. Unter optimalen Bedingungen ist es für dafür konzipierte Software relativ einfach, die typische Form einer Ampel und ihre aktuelle Lichtfarbe zu erkennen. Unglücklicherweise herrschen auf der Straße des öfteren suboptimale Bedingungen: Eine Ampel kann durch vorausfahrende Fahrzeuge ganz oder halb verdeckt sein, tiefstehende Sonne kann die Kameras direkt blenden oder das Ampellicht so sehr überstrahlen, daß es für die Kameras nicht zu erkennen ist, Schneeverwehungen oder Schmutz können die typische Form der Ampel verändern, oder starker Niederschlag kann die Sicht beeinträchtigen. Die europäischen Automobilforscher witzeln gern, daß alles viel einfacher wäre, wenn ihre Prototypen nur in Kalifornien und Nevada zu fahren bräuchten, wo dergleichen Witterungsunbill eher selten auftritt. Dahinter steht natürlich ein gewisser Neid über die schier endlosen Ressourcen und die Aufmerksamkeit, die Google seinen dort selbstfahrenden Fahrzeugen angedeihen läßt. Allerdings: Ob Kalifornien, Norwegen oder Schwäbische Alb – die Sonne geht überall irgendwann unter. Mit inhomogenen Lichtsituationen müssen also auch die hippen Google-Autoausstatter klarkommen.
Google hat mittlerweile eine ganze Flotte selbstfahrender Autos in Kalifornien im durch die Medien liebevoll begleiteten Feldversuch. Über siebenhunderttausend Meilen haben diese Versuchsfahrzeuge in den letzten Monaten zurückgelegt und dabei Datenmengen und algorithmische Erfahrungen gewonnen, welche die aller anderen Projekte weit übertreffen. Googles Ansatz zum autonomen Fahren unterscheidet sich jedoch nicht nur in puncto Aufwand und den zur Verfügung gestellten Mitteln von den deutschen oder anderen europäischen Projekten. Während bei Google mehrere Dutzend der angesehensten Forscher aus den besten Teams weltweit zusammengekauft und mit Ressourcen ausgestattet wurden, die jenseits des militärischen Bereichs für Robotikprojekte so noch nicht aufgewendet wurden, hangeln sich die universitären Teams von Förderantrag zu Drittmittelprojekt und verschwenden einen nicht unbeträchtlichen Teil ihrer Zeit damit, Geld für die Weiterführung ihrer Forschung zu beschaffen.
Die Forschungsansätze sind entsprechend geprägt von den Bedürfnissen der Industriepartner, dies sind zumeist die bekannten großen Autohersteller. Sie sind derzeit noch verstärkt daran interessiert,
Weitere Kostenlose Bücher