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Arbeitsfrei: Eine Entdeckungsreise zu den Maschinen, die uns ersetzen (German Edition)

Arbeitsfrei: Eine Entdeckungsreise zu den Maschinen, die uns ersetzen (German Edition)

Titel: Arbeitsfrei: Eine Entdeckungsreise zu den Maschinen, die uns ersetzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Kurz , Frank Rieger
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das übergreifende Steuersystem zum Beispiel nur vor, in welcher Entfernungszone vom Packzentrum es abgestellt werden soll. Welcher konkrete Platz es dann wird, entscheidet sich erst in dem Moment, in dem der Roboter mit dem Regal losfährt: Sein Steuersystem wählt den von ihm nächstgelegenen Abstellort in der vorgeschriebenen Zone und reserviert diesen per Funk, so daß kein anderes Regal dort abgestellt wird, während der Roboter noch auf dem Weg ist.
    Die Roboter agieren in einer faszinierenden Mischung aus Autonomie und zentraler Kontrolle. Ihre Bewegungen mit und unter den Regalen muten wie ein abstraktes mathematisches Ballett an – und genau das ist es auch. Die Kiva-Maschinen orientieren sich anhand von kleinen Barcode-Aufklebern auf dem Boden, die im Abstand von etwa einem Meter in einem Raster auf der gesamten Lagerfläche verklebt sind. Dadurch bekommt der Roboter in sehr kurzen Intervallen die präzise Information, wo er sich gerade befindet. Über die Koordination im Funknetz und Sensoren in den Robotern werden so Kollisionen verhindert.
    Dadurch, daß die Roboter mit eingefahrener Tragesäule auch problemlos unter den Regalen durchfahren können – solange sich dort kein anderer Roboter befindet –, sind die Leerfahrten zum nächsten abzuholenden Regal kurz und effizient. Bis zu acht Stunden können die orangefarbenen Maschinen mit einer Akkuladung fahren. Wenn die Ladung zur Neige geht oder gerade relativ wenig zu tun ist, suchen sie sich automatisch die nächstgelegene Ladestation. Je nach Lagergröße, Anzahl der Produkte im Lager und Optimierbarkeit der Lageranordnung werden pro Packarbeiter fünf bis zehn Roboter benötigt.
    Ein Aspekt, mit dem Kiva gern wirbt, ist die Fähigkeit, Aufträge mit Waren, die sehr teuer und klein sind, etwa Smartphones oder andere teure Elektronikprodukte, nur zu bestimmten Packstationen zu leiten. Dort arbeiten dann besonders »vertrauenswürdige« Lagerarbeiter. Von ihnen nimmt man an, daß sie trotz ihres minimalen Lohns nicht der Versuchung erliegen, ein teures Gerät im Wert eines Wochenlohns in die Tasche zu stecken. Typischerweise werden solche »High-value«-Packarbeitsplätze zusätzlich kameraüberwacht. Außerdem werden die Regale mit diesen diebstahlgefährdeten Gütern häufigeren Stichprobeninventarisierungen unterzogen, um Soll- und Istbestand zu prüfen.
    Die Kosten für ein »Einsteigerpaket«, bestehend aus fünfundzwanzig Robotern, den dazugehörigen Spezialregalen, die auf die Umherfahrbarkeit optimiert sind, den Aufklebern auf dem Boden zur Orientierung, dem Funknetz, vier Packstationen mit Lasern und Tasten und vor allem der Integration der Steuersoftware in das vorhandene Warenwirtschaftssystem liegen derzeit bei ein bis zwei Millionen Dollar. Wenn so ein System zwölf Packarbeiter überflüssig macht und das Lager im Dreischichtbetrieb betrieben wird, hat sich die Investition in weniger als zwei Jahren bezahlt gemacht – bei gestiegenem Durchsatz, weniger Fehlern und Inventurdifferenzen und sogar etwas weniger Flächenbedarf.
    Die Arbeitsplätze, die durch solche Systeme wie die von Kiva wegfallen, zählen sicher nicht zu den besten und begehrtesten, erst recht nicht zu den fair bezahlten. Lagerarbeiter sind schon lange am untersten Ende der Jobskala, nur kurz über Reinigungskräften. Die mit einem Kiva-System verbleibenden Jobs sind körperlich etwas weniger anstrengend als die alten mit den endlosen Rennereien durch die Regalreihen. Sie können also auch von körperlich etwas weniger fitten Menschen erledigt werden.
    Interessanterweise fällt bei dieser Form der Roboterisierung aber nicht nur ein Großteil der Packerjobs weg. Auch im Lagermanagement werden diverse Tätigkeiten nicht mehr benötigt – zum Beispiel die Planung der Einlagerungsorte und die Optimierung der Wegstrecken für die Packer. Das alles erledigt nun die Software in einem Abwasch. Ob aber in der Lagerverwaltung tatsächlich Arbeitsplätze wegfallen, ist schwer herauszubekommen. Oft werden die Talente der Lagermanager dafür genutzt, noch mehr Durchsatzoptimierungsmöglichkeiten zu finden, also die Lagerkosten weiter zu senken und die Geschwindigkeit der Abarbeitung zu erhöhen, indem noch mehr Faktoren in die Bestandsplanung und die Algorithmen zur Vorhersage von bald gefragten Gütern einfließen.
    Außerdem bedeutet mehr Lagerdurchsatz auch, daß es mehr Unvorhersehbarkeiten und nichtstandardisierbare Situationen gibt, um die sich Menschen kümmern müssen. Das

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