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Arcanum – Das Geheimnis

Arcanum – Das Geheimnis

Titel: Arcanum – Das Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Geist
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und begann seine Ausführungen.
    „Schauen Sie, hier an der Wand hängen unsere zentralen Botschaften. Sie sind die Antworten auf die wichtigsten Fragen, die sich unsere Gemeinschaft und damit jeder Einzelne von uns stellt: woher kommen wir, wohin gehen wir und wer sind wir.“
    Christopher erinnerte sich gelesen zu haben, dass dies die Schlüsselthemen der Rosenkreuzerbewegung waren, mit denen man natürlich geschickt jeden ködern konnte, der auf der Suche nach dem Sinn seines Lebens war.
    „Wir sehen uns an diesem Ort ganz besonders dem Vermächtnis Johann Valentin Andreäs verpflichtet, der, wie sie wahrscheinlich wissen werden, im Dreißigjährigen Krieg in Calw wirkte. Wir versuchen seine Schriften, aus denen die Kraft seiner Erleuchtung spricht, in unsere Erkenntnisse über die universelle Wahrheit einfließen zu lassen“.
    Nicht nur Geheimgesellschaften schmückten sich mit herausragenden Persönlichkeiten der Geschichte.
    „Wir gehören zu keiner der großen christlichen Konfessionen. Es geht uns vielmehr um den universellen Christusgeist. Wir sind zur Auferstehung befähigt, indem wir uns aus der Wahrheit heraus verwandeln, welche bereits in uns verborgen ist und die wir lediglich aufspüren müssen. Wir suchen den Stein der Weisen, den die Rose im Zentrum des Kreuzes symbolisiert. Der Stein der Weisen ist das fünfte Element, die Quintessenz, und verwandelt die vier Elemente, aus denen wir gemacht sind, in das Gold der reifen und befreiten Seele“.
    Christopher war klar, welche Macht charismatische Führer wie Herr Gryphius hatten. Er konnte mit seinen salbungsvollen Worten, die lediglich uralte Formeln aus allen Philosophien der Menschheitsgeschichte wiederholten, leicht die leeren Seelen durstiger Zeitgenossen füllen.
    Das Symbol des Rosenkreuzes war sehr viel älter als die Rosenkreuzerbewegung auf dem Wimberg. Im Sanskrit galt es als unverhülltes Sexsymbol. Es stand für Lingam und Yoni, also Phallus und Vulva. Dass es eine Verbindung gab, sah man am Emblem des Lectorium Rosicrucianum , das hinter dem Rednerpult angebracht war. Kreis, Dreieck und Viereck waren die Symbole des Sakral- oder Sexualchakras. Christopher wollte sich nicht durch kluge Bemerkungen verdächtig machen, also schwieg er. Herr Gryphius war seinem Blick gefolgt.
    „Sie fragen sich, was der Stab links hinter dem Rednerpult bedeutet?“
    Tatsächlich hatte Christopher gerade den langen Stab mit den Flügeln und den beiden Schlangen bemerkt, der an einen Hirtenstab erinnerte.
    „Es ist ein Hermesstab“, fuhr Herr Gryphius fort. „Er ist ein Zeichen für die gegensätzlichen Kräfte in jedem Menschen und gleichzeitig ein Phallussymbol, an dem sich zwei Schlangen paaren, und das uns ermahnen soll, unsere sexuelle Energie in eine höhere, geistige Energie zu sublimieren.“
    “Hermes benutzte seinen Stab als Zauberstab, mit dem er die Menschen einschläferte und ihnen Träume schickte“, dachte Christopher, und diese Bedeutung schien weitaus besser auf Herrn Gryphius zu passen.
    Herr Gryphius wandte sich wieder an ihn. Christopher hatte das unangenehme Gefühl, er könne seine Gedanken lesen.
    „Was suchen Sie wirklich, Herr Müller? Suchen Sie nach der Rose? Auch Ihnen begegnet sie auf ihrem Lebensweg, doch nur Sie können sie erkennen und pflücken. Wenn Sie aber unwürdig sind, dann sticht sie, und ihr Stich kann tödlich sein“.
    Es klang wie eine Drohung. Herr Gryphius bemerkte kühl, „ich muss sie nun leider zur Türe begleiten, da ich noch einen anderen Termin habe. Sollten Sie noch Fragen haben, oder über einen Eintritt in unsere Gemeinschaft nachdenken, dann können Sie natürlich gerne einen weiteren Termin vereinbaren, an dem ich dann mehr Zeit für sie habe“.
    Der Ton hatte gewechselt. Christopher hatte das Gefühl, es sei kälter geworden im Raum, und ein Schauer lief ihm über den Rücken.
    Er entspannte sich erst, als er den Parkplatz erreicht hatte und in seinen Wagen stieg. Das Rosenkreuzerheim lag lautlos im Schatten des Waldrandes. In der Dunkelheit erschien es ihm wie ein lauerndes Tier, das zum Sprung bereit war.
    Er startete den Motor und die uralten Tannen des Schwarzwaldes schluckten das Licht seiner Scheinwerfer.
    Er traute Leuten wie Herrn Gryphius grundsätzlich alles zu. Seine Mitgliedschaft bei den Rosenkreuzern war vielleicht nur eine Tarnung. Es gab ein Geheimnis um ihn. Menschen wie er waren in ihrer engstirnigen, fanatischen Welt gefangen und draußen lauerte der Feind. Herr Gryphius

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