Arcanum – Das Geheimnis
aufbaute.
„Es ist ein Negativ unserer goldenen Scheibe“, flüsterte Christopher. „Sie stammt also definitiv aus Mittelamerika. Ich kann mir nur vorstellen, dass sie irgendwie mit dem Golfstrom in Europa landete, als eine Art Flaschenpost, es sei denn, die Zeitreisenden können Gegenstände einfach selbst in der Zukunft deponieren“.
Herbert nickte ernst.
„Hier steht noch, dass eine Legende erzählte, ein Vorfahre dieser Familie habe den Tag vorausgesagt, an dem ein Spanier auf weißen Schwingen über das Meer komme, um die Völker Yucatáns zu unterwerfen“. Er blickte auf.
„Sie nannten ihn Cortez. Die Legende erzählte weiter, dass ein anderer Spanier am Ende der Zeit das Schicksal aller Menschen in Händen halte. Sein Name sei…“
Herbert blickte Christopher ungläubig an. Er schaute noch mal auf den Bildschirm, dann flüsterte er:
„Sein Name sei Martinez und sein Zeichen wiederum das Kreuz der gefiederten Schlange.“
Christopher schaute Herbert verblüfft an, dann lachte er lauthals.
„Mensch Herbert. Martinez ist in Spanien so häufig wie Müller in Deutschland. Ich glaube jetzt siehst Du Gespenster. Ich fühle mich nicht als Teil einer Prophezeiung und außerdem stammen meine Vorfahren aus Kuba“.
Auch Herbert lachte, und damit war der Bann gebrochen. Sie hatten das Bindeglied zwischen Yucatán und Hirsau gefunden, doch die Geschichte wurde mehr als fantastisch und entzog sich jeder rationalen Erklärung. Sie würden nicht locker lassen, bis sie alle Puzzlesteine zu einem Bild zusammengesetzt hätten.
„Gibt es einen Grund zur Freude?“
Herr Gryphius war lautlos hinter die beiden Männer getreten und lächelte gönnerhaft.
„Ich muss mich bei Ihnen beiden entschuldigen. Wir haben uns wie Geiselnehmer verhalten und Ihnen sicher Angst eingejagt. Bitte seien sie versichert, dass sie unverzüglich gehen können, wenn sie dies wollen. Wir sind eine Gemeinschaft, deren Wurzeln Jahrhunderte in die Vergangenheit zurückreichen, und wir benehmen uns zeitweise entsprechend seltsam. Meine Mitbrüder sehen überall Feinde und verhalten sich manchmal etwas paranoid. Sie befürchteten, dass sie mit den Terroristen der Rosenbruderschaft unter einer Decke stecken könnten, doch das war Unsinn. Nochmals meine aufrichtige Entschuldigung verbunden mit der Bitte, uns dennoch zu unterstützen. Sämtliche Einrichtungen stehen Ihnen zur Verfügung. Wenn Sie sich entscheiden zu bleiben, schlage ich vor, dass Sie ihre Termine für die nächsten Tage absagen. Das hier wird unsere ganze Energie in Anspruch nehmen“.
Christophers erster Impuls war, seine Frau anzurufen, doch was sollte er ihr sagen?
Natürlich hatten sie sich vorübergehend getrennt, und sie war zu ihrer Mutter gezogen, aber sicherlich war ihre erste Wut verflogen. Sie hatte zu wenig Verständnis für seine Bedürfnisse. Er wollte nicht nur Familienvater und irgendwann Großvater sein, der seinen Enkeln Geschichten vorlas, und auf nichts zurückblickte als ein banales Berufs- und Familienleben. War sein Wunsch so überheblich? Er hatte sich in diese Sache verbissen, so wie es in seiner Natur lag, aber es war eine Chance, die sich nur einmal im Leben bot.
Carolin war verletzt. Er konnte es nicht ungeschehen machen. Er würde ihr alles erklären, und wenn diese Sache ausgestanden wäre, würde er sie lieben wie zuvor und in sein altes Leben zurückkehren.
Was gerade mit ihm geschah, musste irgendwann geschehen, das hatte er im tiefsten Inneren seiner Seele immer gespürt und verdrängt. Nun war es mit Gewalt hervorgebrochen, und damit würde sich dieser Sturm ein für allemal austoben und ihn nie wieder in Bedrängnis bringen.
Herr Gryphius nickte den beiden Männern zu und verschwand ebenso lautlos, wie er gekommen war mit der Bemerkung, dass er bei Schwierigkeiten, welcher Art auch immer, in seinem Büro im Erdgeschoss oder unter einer Handynummer, die er auf ein Stück Papier notierte, zu erreichen sei.
Als er die Türe hinter sich geschlossen hatte, drehte sich Christopher zu Herbert um.
„Warum haben wir die Vita Adeodati im Keller der Rosenbruderschaft fotografiert, wenn die Saturnloge dieses Buch im Original besitzt“.
„Das habe ich mich auch schon gefragt“, erwiderte Herbert, „die beiden Ausgaben sind aber nicht identisch. Wir sollten bei Gelegenheit Herrn Gryphius darauf ansprechen. Im Augenblick gibt es wichtigere Dinge“.
„Und die wären?“, fragte Christopher ungeduldig.
„Wir müssen zum Odilienberg.
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