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Arche Noah | Roman aus Ägypten

Arche Noah | Roman aus Ägypten

Titel: Arche Noah | Roman aus Ägypten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chalid al-Chamissi
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würde.
    »Wir sind Italiener, auf uns ist Verlass«, sagte er. »Keine Sorge, wenn ein Polizist hier auftaucht und Fragen stellt, führe ich ihn mit einer abenteuerlichen Geschichte dermassen in die Irre, dass er hinterher nicht mehr weiss, wo vorn und hinten ist.«
    Schon bald fingen die Italiener an, das neue Jahr zu feiern. Sie holten eine Weinflasche nach der anderen aus dem Koffer, tranken und sangen. Irgendwann waren sie so abgefüllt, dass sie in voller Montur einschliefen. Laut schnarchend lagen sie da.
    An der italienisch-österreichischen Grenze krabbelte ich unter die Bank. Ich fühlte mich sicher, schliesslich hatte die Griechin versprochen, zu mir zu halten. Ägypten und Griechenland verbindet ja eine alte Freundschaft. Aber dann hörte ich, wie sie hinter der Tür mit dem Polizisten sprach. Sie hat mich tatsächlich verpfiffen, diese verfluchte Sch…! Ein Koloss kam herein, bestimmt zwei Meter gross. Er versuchte, die Betrunkenen zu wecken, weil er dachte, einer von ihnen sei der Ägypter. Irgendwie sehen die Italiener ja auch so aus wie wir. Während ich die ganze Zeit mit angehaltenem Atem unter der Bank lag, schnarchten die Italiener unbeirrt weiter. Dann kam dieses niederträchtige Miststück von Griechin herein und sagte dem Polizisten, dass es Italiener seien. Doch er bestand darauf, sie zu wecken und ihre Papiere zu sehen. »Wo ist denn der Ägypter?«, fragte er die Griechin. »Er muss wohl am letzten Bahnhof ausgestiegen sein«, sagte sie. Zu meinem Glück war der Kerl so riesig, dass er sich im Abteil kaum rühren konnte, und deshalb entdeckte er mich nicht.
    Ich schaffte es tatsächlich nach Deutschland. Na ja, ich bin eben ein echter Abenteurer. In Hamburg angekommen, bekam ich einen tollen Job.
    Warum ich jetzt wieder in Ägypten bin, fragen Sie?
    D ie Brise erstarb, und das Rascheln der Bäume verstummte. Zu hören war nur noch Mabrûk al-Manûfis kräftige Stimme.
    Der Grund, warum ich nach Ägypten zurückging, heisst Scharîf Abdaltawwâb, ein Mann aus unserem Dorf. Er hatte vonzu Hause eine Kassette bekommen, die seine Angehörigen besprochen hatten. Darauf war auch eine Nachricht vom Vater. Er riet seinem Sohn, nicht heimzukommen, bevor er mindestens 15 000 Mark auf der hohen Kante hätte. Als ich zusammen mit Scharîf die Kassette hörte, ging es in meinem Kopf auf einmal rund. Wunderbar, diesen Betrag habe ich doch schon längst zusammen, dachte ich, packte meine Sachen und fuhr nach Ägypten mit dem Plan zu heiraten.
    Ich hielt mich ran, nach einem Monat hatte ich eine Braut gefunden. Ratzfatz ging das, Brautwerbung, Zusage, Verlobung, Eheschliessung. Und in null Komma nichts war das ganze hart verdiente, jahrelang angesparte Geld für das Brautgeschenk, die Wohnungseinrichtung und vieles andere draufgegangen. Was nun, Mabrûk? Wie sollte es weitergehen? Ich überlegte hin und her. Am besten wieder ins Ausland, beschloss ich, aber diesmal nach Paris, weil dort Schâkir, mein bester Freund, lebte.
    Wie willst du nach Paris kommen? Gute Frage. Hier kam nun die Phantasie ins Spiel.
    Für das Bruderland Marokko brauchte man damals kein Visum. Ich kaufte ein Iberia-Ticket von Kairo nach Casablanca mit Zwischenstopp in Barcelona. Ein Freund verhalf mir zu einem Transitvisum für Spanien, das zweiundsiebzig Stunden gültig war. In Barcelona gelandet, ging ich durch die Passkontrolle und vom Flughafen direkt zum Bahnhof. Ich kaufte eine Fahrkarte, setzte mich in den Zug, und in einem Ort namens Figueres, kurz vor der französischen Grenze, stieg ich aus. Dort traf ich aus unerfindlichen Gründen auf viele Araber. Sie gaben mir jede Menge Tipps, wie ich nach Frankreich kommen könnte. Einer riet mir, den Zug nach Bordeaux zu nehmen, vor der Grenze auszusteigen und in den Tunnel zu gehen, der nach Frankreich führt.
    Genau nach Anweisung wartete ich zu einer bestimmten Uhrzeit im Tunnel und stieg in den letzten Waggon eines Bummelzuges. Er fuhr los, und wenige Minuten später befand ich mich in Frankreich, auf dem Weg nach Bordeaux. Von dort reiste ich weiter nach Paris, wo ich mich auf die Suche nach Schâkir machte. Doch ich erfuhr, dass er in der Nacht zuvor abgeschoben worden war.
    Wie das? Ein Algerier hatte den Hausbesitzer bei der Polizei verpfiffen, weil er an Leute ohne Aufenthaltsgenehmigung vermietete.
    Ich war am Boden zerstört. Hinzu kam das elend graue, triste Winterwetter. Auf der Stelle kehrte ich nach Ägypten zurück. Exakt zwanzig Tage später hatte ich zwei Tickets

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