Arche Noah | Roman aus Ägypten
gekauft, eins für mich und eins für Schâkir. Nach Marokko mit Zwischenlandung in Spanien, und los ging’s. Alles wie gehabt, nur diesmal sparten wir uns das Transitvisum und gelangten über Schleichwege aus dem Flughafen. Gleich nach Figueres – in den Tunnel – Bordeaux – Paris. Dort schnappten wir uns als Erstes den Algerier und gaben ihm Saures, das können Sie mir aber glauben! Doppelt und dreifach haben wir es ihm heimgezahlt.
Schâkir hat den grossen Reibach gemacht und inzwischen ein viergeschossiges Haus bei uns im Dorf gebaut. Es ist gerade fertig geworden. Ich dagegen wurde Schleuser, und gar kein so übler. Kaum waren wir in Paris eingetroffen, kamen Leute an und baten mich, Verwandte nachzuholen. So hat alles angefangen. Ich flog nach Ägypten und schaffte eine Gruppe auf die gleiche Weise nach Frankreich. Natürlich schärfte ich ihnen vorher gut ein, was sie zu tun hätten. Dass sie nämlich die Flugtickets gleich nach der Landung loswerden mussten, um nicht zurückgeschickt zu werden, falls die Sache aufflog. Ausserdem mussten die Pässe verschwinden. Um die kümmerte ich mich. Sobald wir den Flughafen verlassenhatten, sammelte ich sie ein und schickte sie ihnen später mit einer vertrauenswürdigen Person nach, die auf legalem Weg einreiste und eine Aufenthaltsgenehmigung besass. Alternativ konnten die Eingeschleusten den Pass auch beim ägyptischen Konsulat in Paris als verloren melden und sich einen neuen ausstellen lassen. Gott sei Dank ging immer alles reibungslos.
Seither war ich wie Ibn Battûta immer unterwegs. Mit einer Gruppe aus Ägypten raus und gleich zurück, um die nächste abzuholen. Ich lenkte die Aufmerksamkeit der Sicherheitsbeamten am Flughafen auf mich, damit meine Schützlinge entwischen konnten. Mein Erscheinungsbild kam der Sache offenbar sehr zugute. Ich habe einen dumpfen Blick und Hängebacken und soll insgesamt einen beschränkten Eindruck machen. So schlossen die Herren von der Passkontrolle von vornherein aus, dass ich krumme Dinger drehen könnte. Dabei war ich gerissener als sie alle zusammen!
Allen, die meine Dienste in Anspruch nahmen, schärfte ich ein, möglichst wenig Gepäck mitzunehmen, nur eine kleine Tasche mit der nötigsten Wäsche und einem Paar leichten Schuhen, mehr nicht. Ich ging mit ihnen die Einzelheiten durch, den Klügeren zeichnete ich einen Plan vom Flughafen mit den Ausgängen und den Verlauf des Tunnels auf. Sofort verstanden sie alles. Um sie brauchte ich mir keine Sorgen zu machen, dafür aber um die einfachen Leute, die nicht lesen konnten.
Einmal hatte ich ein echtes Problem mit einem Mann. Ich schickte ihn auf den altbekannten Weg zum Tunnel und zum Zug und hatte ihm zuvor genau erklärt, dass es vom Pfad rechts in den Tunnel geht. Stattdessen aber hielt er sich links und landete wieder auf dem Bahnsteig. Das Ganze passierte ihm gleich zweimal. Da hätte er den Polizisten auch zurufen können: »Hier bin ich, Leute, nehmt mich fest!« Kurz nachdem er aufgebrochen war, trudelteer wieder bei mir im Café in Figueres ein, meiner Kommandozentrale sozusagen. Wenigstens hatte er sich an diese Abmachung gehalten. Bei Schwierigkeiten, so bläute ich meinen Leuten immer ein, sollten sie unverzüglich dorthin kommen. Als er zum zweiten Mal auftauchte, platzte mir der Kragen. »Verdammt noch mal«, brüllte ich ihn an, »kannst du rechts und links nicht unterscheiden? Dann leg dir einen Stein in die Hand, damit du weisst, wo’s langgeht! Reiss dich gefälligst zusammen! Beim dritten Mal lassen sie dich nicht laufen. Sie kriegen das Ganze noch spitz, und dann ist für die anderen der Ofen aus.«
Ich schleuste immer Mann für Mann rüber, schliesslich soll man, wie es so schön heisst, nie alle Eier in einen Korb legen, nicht wahr, Verehrteste? So wären nicht gleich alle verloren, wenn etwas schiefging.
Selbstverständlich änderte ich die Route hin und wieder. Zwar blieb ich bei derselben Fluggesellschaft, Iberia, doch ich variierte das Reiseziel auf dem Ticket. Mal war’s Marokko, mal der Senegal. Als Marokko die Visumspflicht einführte, buchte ich nach Ecuador, denn für dieses Land brauchen Ägypter kein Visum. Trotzdem flogen wir nur bis Spanien und schlichen uns dort wie gehabt aus dem Flughafen.
Um von Spanien nach Frankreich zu kommen, gab es neben dem Tunnel auch die Autobahn. Marokkanische Lkw-Fahrer, die Kühlschränke geladen hatten, brachten meine Leute über die Grenze, für hundert Dollar pro Passagier. Dieser Weg war
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