Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Arche Noah | Roman aus Ägypten

Arche Noah | Roman aus Ägypten

Titel: Arche Noah | Roman aus Ägypten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chalid al-Chamissi
Vom Netzwerk:
Zug abfahre. Ihm muss der Gestank meiner Schuhe wohl direkt in die Nase gestiegen sein. Angewidert schaute er an mir runter, sah die Latschen und verlangte meinen Pass zu sehen. Ich erklärte ihm lang und breit, dass ichÄgypter sei, keinen Pass hätte und dass ich gekommen sei, um mir hier einen Stierkampf anzusehen. Das Ganze endete damit, dass er mich in den Polizeiposten am Bahnhof abführte. Stundenlang tippte er irgendwas auf der Schreibmaschine, dann rief er auf der Wache an und liess mich von seinen Kollegen abholen. Das war’s, dachte ich, die schicken mich jetzt garantiert nach Ägypten zurück.
    Auf der Wache wurde ich in eine brechend volle Zelle gesperrt. Drinnen sass der ganze afrikanische Kontinent versammelt. Ich war der einzige Weisse, wenn man bei mir überhaupt von »weiss« sprechen kann. Es stank erbärmlich. Selbst mir war es zuwider, obwohl ich mehr oder weniger mein halbes Leben im Stall zugebracht hatte. Ich fragte in die Runde, ob jemand Englisch spreche, aber sie konnten alle bloss Französisch. Nur einer beherrschte ein genauso miserables Englisch wie ich. Mit Händen und Füssen und meinem gesamten spärlichen Wortschatz gelang es mir, ihn zu fragen, was jetzt mit mir passieren würde.
    »Sie schicken dich nach Ägypten zurück, Kleiner.«
    Ich fing an zu flennen wie eine Frau. Am nächsten Morgen wurde ich vor Gericht gestellt. Eine hübsche Dolmetscherin übersetzte mir, was die Herrschaften sagten. Sie glichen meine Fingerabdrücke und mein Foto mit der Verbrecherkartei ab. Ich sei in Ordnung, befanden sie. Jedenfalls sagte ich vor dem Richter aus, dass ich mit meinem Bruder zum Urlaub nach Spanien gekommen sei und er meinen Pass bei sich trage. Nun habe er aber eine schöne Frau kennengelernt und sei mit ihr durchgebrannt. Der Richter forderte mich auf, ein Papier zu unterschreiben, das mich verpflichtet, Spanien innerhalb von drei Tagen zu verlassen. Ausserdem dürfte ich erst in drei Jahren wieder spanischen Boden betreten. Ich unterschrieb und hatte damit eine Aufenthaltserlaubnis für drei Tage bekommen.
    Völlig bekloppt, diese Leute!
    M abrûk fiel ihm ins Wort: Nein, sie sind nicht bekloppt, da bin ich anderer Meinung. Auf einer meiner vielen Reisen bin ich auch einmal festgenommen worden. Sie zerrten mich vor Gericht und machten ein Riesentrara. Aber ich will hier nicht auf Einzelheiten eingehen. Jedenfalls wurde ich zur sofortigen Ausreise verdonnert. Dann brachte man mich wieder auf die Wache, wo ich unterschreiben musste, dass ich auf direktem Weg zum Flughafen fahre und in mein Land fliege. Ich unterschrieb und wartete, dass man mich hinbringt. Aber dann entliessen sie mich draussen vor der Tür mit den Worten: »Also, dann mal ab zum Flughafen und nach Kairo, alles klaaaar?« Ich klatschte in die Hände, ging ins Restaurant, in dem ich arbeitete, und schob ganz normal meine Schicht.
    Ehrlich gesagt, bin ich der Ansicht, dass die europäischen Regierungen nicht naiv sind. Sie wissen ganz genau, wer sich alles illegal dort aufhält, aber sie drücken beide Augen zu, denn sie brauchen Arbeitskräfte und Leute überhaupt. Die Bevölkerung schrumpft. Ausserdem kommen ihnen Arbeiter, die keine Rechte haben, sehr entgegen. Die sind billig, verursachen keine Kosten und machen keinen Ärger. Man kann sie jederzeit am Schlafittchen packen und fertigmachen. Zu ihrem eigenen wirtschaftlichen Vorteil saugen sie den Menschen das Blut aus. Gleichzeitig jammern sie auf jeder Konferenz, wie schlecht es ihnen geht und wie sie überrumpelt werden von diesen schrecklichen Habenichtsen, die ihre Grenzen stürmen, ins Land einfallen und ihre Existenz bedrohen. Sind sie etwa nicht imstande, ihre Flughäfen zu sichern? Das kann mir keiner erzählen! Ich bin stolz auf das, was ich tue, denn ich leiste wirklich Grossartiges. Im Grunde meines Herzens bin ich zuversichtlich, ich weiss nämlich ganz genau, dass sie ohne unsere Dienste nicht auskommen. Wir sind der Treibstoff für ihre Wirtschaft.
    Aber verzeih mir, Ghûl, ich habe dich unterbrochen. Du hast also das Gericht verlassen …
    R ichtig, ich bin aus dem Gericht aufs Revier und dann raus auf die Strasse. Wie ein Pascha fühlte ich mich mit der Aufenthaltsgenehmigung. Jetzt konnte mir keiner mehr! Unterwegs zum Busbahnhof, fragte mich ein Polizist nach meinem Pass. »Ich habe keinen«, sagte ich und hielt ihm das Schriftstück des Gerichts unter die Nase. Auf der Stelle salutierte er.
    Seltsam, dachte ich, was wollen die Bullen ständig

Weitere Kostenlose Bücher