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Arche Noah | Roman aus Ägypten

Arche Noah | Roman aus Ägypten

Titel: Arche Noah | Roman aus Ägypten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chalid al-Chamissi
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schliesse mich dem an, was Melanie, die Psychologieassistentin, sagte, als ich mit ihr über das Problem sprach. Was kann man von einem Jungen erwarten, der zwar intelligent ist, aber mit fünfzehn Jahren von Mutter und Vater verlassen wurde? Die beiden haben sich aus seinem Leben zurückgezogen und reden sich ein, dass die glorreichen Lehrer im fortschrittlichen Westen die besseren Eltern seien. Was soll ein Junge schon für eine Psyche entwickeln, der die Erfahrung macht, dass seine Eltern ausserstande sind, ihrer Erziehungspflicht nachzukommen?
    A m 3. Januar ging ich wieder in die Schule, allerdings schon so früh, dass ich der Erste war. Sicherheitshalber nahm ich das Taschenmesser mit, das mir Papa aus Amerika mitgebracht hatte. Während die anderen den allmorgendlichen Appell auf dem Hof absolvierten, hielt ich mich im Raum der fünften Klasse versteckt. Dann ging ich in meine Klasse. Ich schaute in die Runde, Karîm war nicht da. Mariam wirkte zerknittert. Ein paar von Karîms Freunden zogen ihre Handys unterm Tisch hervor. Bestimmt, um ihm eine SMS zu schreiben, dass ich hier bin, dachte ich. Keine Ahnung, wie er es angestellt hat, aber auf einmal stand er im Raum, obwohl die Tür schon geschlossen war. Ich hatte mit meinen Kumpels ausgemacht, dass sie immer in meiner Nähe bleiben sollen. Karîm stürzte sich mit geballten Fäusten auf mich. Da stellte ihm einer meiner Jungs ein Bein, so dass er hinfiel. Ich warf mich auf ihn, zog das Taschenmesser und hielt es ihm an die Kehle. Ich konnte gar nicht so schnell gucken, wie ich Ismaîls Fuss im Gesicht hatte. Karîm sprang auf und zückte ebenfalls sein Taschenmesser. Wie aus dem Nichts tauchten plötzlich zwei Sportlehrer auf, echte Athleten, und in null Komma nichts hatten sie uns die Messer abgenommen. Ismaîl nietete einen der beiden mit einem Kinnhaken um, so dass er k.o. am Boden lag.
    Die Eltern wurden in die Schule zitiert. Es wurde geredet, und das Ganze endete damit, dass vier von uns der Schule verwiesen wurden. Ich war selbstverständlich einer davon. Ismaîl dagegen wurde nicht gefeuert, weil sein Vater Macht und Einfluss hatte.
    » E in Taschenmesser in der Klasse, Farîd? Mein Sohn, ein Rowdy? Was soll ich nur mit dir anstellen?«
    »Wieso mit ihm anstellen? Du solltest ihn lieber trösten, statt anzubrüllen. Was hat der Junge denn schon verbrochen?Nichts. Er hat sich als wahrer Gentleman erwiesen und seine Mitschülerin nach Hause gefahren, damit sie nicht auf der Strasse stehen muss.«
    »Gentleman? Quatsch. Der Fahrer hat doch zugegeben, dass er 500 Pfund von ihm bekommen hat, damit er das Handy abschaltet und behauptet, durch eine Reifenpanne aufgehalten worden zu sein. Aber das ist nicht der Punkt. Viel schlimmer ist, dass er ein Taschenmesser in die Schule mitgenommen hat. Er glaubt offenbar, dass er in einem amerikanischen Film mitspielt und eine mexikanische Gangsterbande ihm den Rücken deckt.«
    »Er wird sich doch wohl noch verteidigen dürfen, oder willst du ihm das verbieten? Schliesslich hatte dieser Dreckskerl von Mitschüler auch ein Taschenmesser dabei. Soll er sich etwa widerstandslos verprügeln lassen? Schlimm genug, dass du ihn im Stich lässt. Ich als seine Mutter jedenfalls werde ihn zu schützen wissen!«
    »Es reicht. Halt den Mund, Suha, bitte! So, und nun zu dir, Farîd. Ich werde dich ins Ausland schicken. Dort bringst du die Schule zu Ende. Ich habe die Direktion überredet, ein Abgangszeugnis für einen ganz normalen Schulwechsel auszustellen und den Verweis unerwähnt zu lassen. Und wir datieren dann das Zeugnis auf einen Zeitpunkt vor Beginn der Weihnachtsferien zurück.«
    »Es gibt doch auch in Ägypten gute amerikanische Schulen mit Lehrern aus dem Ausland.«
    »Lass gut sein, Suha! Ein paar Eltern haben Rache geschworen, und einige von denen sind sehr einflussreich. Die werden keine Ruhe geben. Es wird wohl darauf hinauslaufen, dass ich dich nach England schicke, Farîd. Aber ichschaue erst noch nach Schulen in der Schweiz, in Kanada und Amerika.«
    »Ich will lieber nach England, Papa.«
    »Du hast keine Bedingungen zu stellen, Rowdy! Ich werde mich nach einer amerikanischen Schule in England umhören, die bereit ist, dich im zweiten Trimester aufzunehmen. Du kannst von Glück sagen, dass die Ferien gerade zu Ende sind und das neue Trimester erst begonnen hat.«
    »Heisst das, dass ich sofort fahren soll?«
    »Ja, klar, das ist das Beste. Ich wollte dich ohnehin nächstes Jahr ins Ausland schicken. Du

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