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Arche Noah | Roman aus Ägypten

Arche Noah | Roman aus Ägypten

Titel: Arche Noah | Roman aus Ägypten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chalid al-Chamissi
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das könnte seinen weitverzweigten Geschäftsbeziehungen schaden. Insofern liegt es auf der Hand, dass es für ihn nur eine Lösung gibt: dich wegzuschicken, dich allein im Ausland leben zu lassen, obwohl du noch nicht trocken hinter den Ohren bist. Was folgt, ist absehbar: In der Oberstufe, oder wie auch immer sie bei den Amerikanern heisst, wirst du kaum noch deinen Namen auf Arabisch schreiben können. Wozu braucht man diese Sprache auch? Du wirst die Geschichte der Vereinigten Staaten bis ins kleinste Detail kennen, aber nicht den leisesten Schimmer von Achmad Orâbi 17 haben. Wie sollte ich deinen Fall da gewinnen können?«
    S elbstverständlich gewann Asîs den Fall nicht, obwohl er dafür einen Vertrag verletzte. Am 8. März, dem Internationalen Frauentag, hatte er mit sich selbst ein Abkommen getroffen: »Ich werde Hadâik al-Kubba zeit meines Lebens nicht mehr verlassen«, so der genaue Wortlaut. Dennoch brach er Farîd zuliebe diesen Eid und liess sich dazu hinreissen, in Akrams Wohnzimmer ein Plädoyer zu halten.Am Ende kehrte er, wie erwartet, unverrichteter Dinge heim und erneuerte noch am selben Tag das Abkommen.
    Farîd reiste nach London, allerdings, um Verwirrung zu stiften, auf Umwegen. Mit einem einfachen Ticket flog er nach Genf. Nach zwei Tagen, die er in einem feudalen Hotel am halbmondförmigen Genfer See verbrachte, stieg er in den Zug nach Paris. Und von dort flog er nach London. Akram hatte unterdessen das Gefühl, Opfer einer Verschwörung geworden zu sein. Am Flughafen wurde Farîd von einem Verwandten seines Vaters abgeholt und ins Internat gebracht.
    A ls ich im aktuellen Vorlesungsverzeichnis blätterte, entdeckte ich zu meiner Überraschung einen neuen Professor namens Murtada al-Barûdi. Ich recherchierte und fand heraus, dass er Ägypter war. Mann, habe ich mich gefreut! Nun war ich nicht mehr der einzige Ägypter an der Uni. Ich suchte ihn auf, um ihn zu begrüssen und mich vorzustellen. Ein echter Akademiker im klassischen Anzug, der in Zeitlupe sprach. Er begrüsste mich ohne jede Gefühlsregung. Anschliessend ging ich zu meiner arabischen Gruppe, um ihnen von ihm zu berichten. Ich wollte ein bisschen damit angeben, dass ich jetzt Rückhalt an der Uni hätte. Im Hochschulrat sass nämlich ein Emirati, mit dem mir die emiratischen Studenten mächtig auf den Sack gingen. Ausserdem gab es einen hochrangigen Kuwaiter, der seinen Landsleuten den Rücken stärkte. Deshalb wollte ich mit dem ägyptischen Professor protzen, nach dem Motto: Ihr habt das Geld und wir die Bildung. Aber das war nicht der eigentliche Grund, weshalb ich die arabischen Kumpels aufsuchte, das sollte nur ein Gag am Rande sein. In Wirklichkeit wollte ich das Team zusammentrommeln, damit sie mir helfen, Iulia zu vergraulen.Der Plan war simpel: Wir würden uns jeden Abend in meinem Zimmer treffen, arabische Lieder singen und kiffen, bis Iulia die Faxen dick hätte.
    D er Plan ging auf. In London regnete es Bindfäden. Das Wetter lud nicht gerade zum Ausgehen ein, und so freute sich die arabische Gruppe über dieses Angebot. Farîd spielte auf der Gitarre, Faissal, ein saudi-arabischer Kommilitone mit einer schönen Stimme, sang, alle anderen klatschten dazu im Takt, und Kalu lieferte das Haschisch. In der zehnten Nacht regte Muadh, ein jemenitischer Student, an, von Haschisch auf Kat umzusteigen. Während alle kräftig kauten, sang er Lieder aus dem glücklichen Jemen. Eine unvergessliche Nacht. Farîds linke Wange war am Ende restlos betäubt. In der zwölften Nacht, als er gerade die neuesten Lieder von Hakîm 18 sang, machte Iulia Schluss. Der Schlafmangel hatte ihr Nervenkostüm völlig zerrüttet.
    V or zwei Jahren habe ich mich von Farîd getrennt. Nun sind wir kurz vor dem Abschluss, und mein wunderbarer, bedauernswerter Liebster steht noch immer nicht mit beiden Füssen auf der Erde. Nach wie vor irrt er kopflos umher.

Doktor Murtada al-Barûdi
    E hemals Philosophieprofessor an der Ain-Schams-Universität in Kairo, lehrte Murtada al-Barûdi inzwischen Methodologie an der Universität Richmond. Er ist einer der schillerndsten Gelehrten Ägyptens auf seinem Gebiet mit einer beachtlichen Publikationsliste. Von den Studenten wird er überaus geschätzt, denn er ist ihnen Professor, Vater und Freund gleichermassen. In Aussehen und Wesen ist er unverkennbar von seinen ländlichen Wurzeln geprägt. Das Gesicht wie aus Stein gemeisselt, der typische Akzent, die mächtige Statur, die rauen, kräftigen Hände,

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