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Arche Noah, Touristenklasse

Arche Noah, Touristenklasse

Titel: Arche Noah, Touristenklasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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antwortete Jossele. »Aber das muß ja nicht gleich sein.«
    Wir fochten einen längeren Kampf mit unserem Gewissen aus und siegten. Die von Jossele vorgeschlagene Kompromißlösung ging dahin, daß wir das Paket öffnen sollten, bevor wir es dem Kellner übergäben.
    »Wer weiß«, sagte Jossele, »vielleicht sind gefälschte Dollarnoten drin, und wir kommen in Schwierigkeiten, wenn wir uns davon nichts wissen machen.«
    Diesem zwingenden Argument beugte ich mich. Wir rissen das Paket auf. Es enthielt etwa 10000 kleine, gummierte Schildchen, wie man sie als Etiketten auf Medizinflaschen verwendet:
     
    Ol. Rizini
    RIZINUSÖL
    Vor Gebrauch schütteln!
     
    Als Jossele die Schilder sah, wurde er vor Aufregung ganz blaß. Seine Stimme zitterte:
    »Mein Gott . uns ist ein Vermögen in den Schoß gefallen . wir sind reich!«
    Der übermäßige Koffeingenuß schien seine Zurechnungsfähigkeit beeinträchtigt zu haben. Ich versuchte auf ihn einzusprechen, aber er hörte mich nicht, sondern rannte - indem er mich an der Hand hinter sich herzog - aus dem Kaffeehaus und in die nächste Metallwarenhandlung, wo er zwei große Schachteln mit Stecknadeln erstand. Und dann ging's los. Jossele trat an einen Herrn mittleren Alters heran, der friedlich des Weges kam, und steckte ihm ein Schildchen an den Rockaufschlag.
    »Macht wieviel?« fragte der Herr.
    »Nach Belieben«, antwortete Jossele und bekam 10 Aguroth. Das nächste Opfer war eine Dame mit zwei kleinen Mädchen. Kaum hatte Jossele die Dame mit dem Rizinusschild besteckt, heulten die beiden kleinen Mädchen im Chor: »Mami, wir auch!« 25 Aguroth.
    Ein vornehmer Stutzer gab uns ein halbes Pfund und ließ das Schildchen hochnäsig in der Tasche verschwinden. Im Durchschnitt beliefen sich die Spenden auf 10 Aguroth. Ein junger Existentialist wehrte sich mit der Begründung, daß er nicht religiös sei. Ein übellauniger Herr erklärte, er dachte nicht daran, uns Faschisten auch noch Geld zu geben. Nach einiger Zeit teilten wir unsere Vorräte und arbeiteten getrennt. Bald darauf war es bereits soweit, daß Passanten stumm auf ihren Rockaufschlag deuteten, wenn wir an sie herantraten; sie hatten der von uns geforderten Wohltätigkeit bereits Genüge getan.
    Gegen Mittag gingen uns die Stecknadeln aus, so daß wir neue kaufen mußten. Am Abend gab es in ganz Tel Aviv keinen Menschen ohne Rizinus am Rockaufschlag. Wir hatten unsere gesamten Vorräte angebracht. Und jeder von uns hatte mehrere tausend Pfund vereinnahmt.
    Sobald die neuen Rizinus-Schildchen fertiggedruckt sind, fahren wir nach Haifa. Anschließend nach Jerusalem.
     
     
     

 
    Jossele, ich und der Leser - wir alle hängen von jenem berühmten Finger ab, der plötzlich auf einen Knopf drücken könnte, worauf wir binnen kurzem in eine fröhliche Schar radioaktiver Wolken verwandelt wären. Zugegeben, das ist keine sehr behagliche Situation. Aber sie hat auch ihre Lichtseiten.
     
FALSCHER ALARM
     
    Als ich an unserem Stammcafe auf der Dizengoff-Straße vorbeikam, saß zufällig Jossele dort und las die Zeitung - eine für Jossele höchst ungewöhnliche Beschäftigung, denn er war kein großer Leser. Er sah denn auch sehr mitgenommen aus, und seine Finger trommelten nervös auf der Tischplatte.
    »Geld?« fragte ich. »Zögernde junge Dame? Oder was?«
    »Frieden.«
    »Wie bitte?«
    »Der Friede. Du hast mich doch gefragt, was mir Sorgen macht. Ich sage es dir. Der Friede.«
    Ich zahlte den Kaffee für ihn, und wir gingen die strahlend beleuchtete Dizengoff-Straße hinunter. Es war ein wunderschöner Abend. Die Zuschauer kamen gerade aus der letzten Kinovorstellung, und ringsum wimmelte es von hüftenschwenkenden Mädchen.
    »Sehen wir den Dingen ins Auge«, sagte Jossele. »Ich bin ein Nichtsnutz. Ein Taugenichts. Ein Halbstarker. Ein Bezprizorny. Ein Beatnik.«
    »Das genügt.«
    »Aber ich bin kein Opportunist, der sein Mäntelchen nach dem Winde hängt. Ich bin wenigstens ein konsequenter Taugenichts. Seit ich zu denken begann, wußte ich mit absoluter Sicherheit, daß es im Leben keine absolute Sicherheit gibt. Das war ein wunderbares Gefühl. Unsere Großväter mußten sich ununterbrochen um die Familie sorgen, und um ihr eigenes Alter, und ob die Pension ausreichen würde, und lauter so dummes Zeug. Wir hingegen sind frei wie die Vögel. Du fragst mich, was in dreißig Jahren sein wird? Ich pfeif drauf. Es interessiert mich nicht einmal, was nächste Woche sein wird.«
    Unser Freund Gyuri rannte

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