Arche
behauptet, die Flut sei eine Seuche gewesen. Ich habe ihm nicht geglaubt. Hier steht jedoch, das Amulett Jafets liege in dieser Kammer und berge etwas, das die Menschheit um ein Haar vernichtet habe. Man habe es in diese Kammer gebracht im Gedenken an Gottes Zorn und an seine Gerechtigkeit und seine Liebe zu den Menschen. Es ist ein Zeugnis dafür, dass Gott der Menschheit eine zweite Chance gegeben hat.«
»Wie kann ein Amulett den Tod aller Lebewesen auf Erden verursachen?«, fragte Tyler. »Wie kann es der Ursprung einer Seuche sein?«
»Ich weiß es nicht. Es heißt hier, die Seuche sei für alle Ewigkeit
in dem Amulett gefangen. Es heißt darüber hinaus, um die ganze Geschichte zu erfahren, müsse man die Arche finden, in der das Amulett des Sem aufbewahrt werde.«
»Großartig«, sagte Grant. »Nun kommen endlich die guten Nachrichten. Wo ist die Arche? Die Karte ist mit schwarzen Punkten übersät. Jeder könnte die Arche sein.«
»Sie ist an der Ostwand des Berges Ararat«, sagte Dilara. »Die anderen Zeichen sollen Eindringlinge täuschen. Für den Fall, dass Unbefugte die Kammer finden würden, sollten sie den Text nicht lesen können. Die meisten Menschen konnten nicht lesen, als dieser Text entstand.«
»Ich habe die Stelle gefunden«, sagte Grant und deutete auf einen bestimmten Punkt an der Ostseite.
»Einen Augenblick«, fiel Tyler ihm ins Wort. »Wenn die Arche dort wäre, hätte man sie schon vor Jahren entdeckt. Die Stelle liegt unterhalb der Schneegrenze.«
»Der Text lautet: ›Das große Behältnis, in dem Noah Zuflucht gesucht hat, liegt in der östlichen Flanke des Ararat.‹«
»Du meinst, auf der östlichen Flanke«, verbesserte Grant.
»Nein, ich meine tatsächlich ›in‹«, wiederholte Dilara.
»Das ergibt keinen Sinn«, wandte Tyler ein.
»Im Text werden zwei Eingänge beschrieben. Einer sei verschlossen, der andere passierbar.«
»Dein Vater erwähnt in seiner letzten Nachricht einen ›falschen Eingang‹. Er scheint Ulric getäuscht zu haben. Nur, wie konnte er Ulric dadurch davon abhalten, sich etwas aus einem alten Schiff zu holen?«
Dilara las weiter. Als sie am Ende angelangt war, schwankte sie, als hätte ihr jemand einen Stoß versetzt.
»Ach, du meine Güte!«, sagte sie. »Man hat sie mit Absicht versteckt. Man hat die Wahrheit verschwiegen, damit sie nicht entdeckt wurde.«
»Was meinst du mit ›die Wahrheit verschwiegen‹?«
»Alles.«
»Langsam«, meinte Tyler, »willst du damit sagen, dass die Arche doch nicht auf dem Berg Ararat ist?«
»Gewissermaßen, ja«, erwiderte Dilara. »Die Arche ist nicht auf, sondern im Berg Ararat. Deshalb wurde sie nie gefunden. Sie ist eine Art Behältnis, aber keines, das auf dem Wasser schwimmt. Seit sechstausend Jahren suchen alle nach einem Riesenschiff. Dabei ist die Arche eine Höhle.«
62. KAPITEL
»Eine Höhle?«, fragte Tyler. Nun ergaben die zwei Eingänge, von denen Dilaras Vater geschrieben hatte, einen Sinn. Und hatte nicht Dilara Oasis einmal als neue Arche bezeichnet? Wieso war er bloß nicht selbst darauf gekommen? Er war von dem Gedanken besessen gewesen, dass die Arche ein Schiff sein musste. Es wäre ihm nie im Traum eingefallen, an eine Höhle zu denken.
»Aber in der Bibel heißt es doch, dass sie ein Schiff ist, oder? Dass sie aus Holz ist?«
»Es heißt: ›Mach dir eine Arche aus Zypressenholz! Statte sie mit Kammern aus, und dichte sie innen und außen mit Pech ab!‹«, zitierte Dilara.
»Für mich klingt das nach einem Schiff.«
»Die Geschichte von der Sintflut ist uralt. Sie wurde immer wieder übersetzt und interpretiert. Denk an das Spiel Stille Post. Aus kleinen Missverständnissen werden am Ende massive Irrtümer. Ich glaube, genau das ist hier passiert.«
Dilara schaute hinüber zu ihrem Vater. »Was bin ich so dumm! Warum nur habe ich nicht auf ihn gehört?«
»Aber du konntest es doch nicht wissen«, versuchte Tyler sie zu trösten.
»Die Höhle diente als Zufluchtsstätte. Das würde passen. Sie muss allerdings riesig sein. Du hast vor einigen Tagen gesagt, dass ein so großes Schiff in Holzbauweise im Wasser sofort leck geschlagen wäre. Nun wissen wir endlich, warum die Arche so groß sein konnte.«
»Aber das Fenster und die Tür?«
»Frag mich nicht«, sagte Dilara. »Öffnungen im Berg? Ich weiß nur eines: Dieser Text sagt aus, dass Noahs Arche im Berg Ararat ist.«
»Damit ließe sich erklären, warum man sie nie gefunden hat. Zwar werden ständig neue Höhlen
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