Arche
Wellengang machten es schwierig, das Boot genau unter dem Personenkorb zu halten, und so dauerte es über dreißig Minuten, bis alle in Sicherheit waren.
Tyler konnte es zwar kaum erwarten, den nassen Anzug auszuziehen, aber er konnte es auch nicht zulassen, dass jemand anderes als er das Rettungsboot als Letzter verließ. Bevor er in den Korb stieg, schloss er die Luke, damit man das Boot zu einem späteren Zeitpunkt würde bergen können. Das Wetter erlaubte nicht, es festzumachen, also ließ man es treiben.
Inzwischen war der Pilot wieder zu sich gekommen. Man trug ihn zur Krankenstation. Der Arzt stellte eine Gehirnerschütterung fest, die nicht sofort behandelt werden musste, und so verzichtete der Hubschrauber der Küstenwache, der in der Nähe gewartet hatte, auf das Risiko einer Nebellandung und kehrte nach St. John’s zurück. Der gebrochene Arm des Kopiloten wurde geschient. Die restlichen Passagiere litten nur an leichter Unterkühlung. Tyler war verblüfft, dass niemand
ernstlich zu Schaden gekommen war. Er war nur wenige Minuten im Wasser gewesen, doch ihn fröstelte noch immer.
Dilara Kenner wollte sich nicht ärztlich untersuchen lassen und beäugte jeden misstrauisch. Sie hatte nur noch einmal darauf hingewiesen, dass sie unbedingt mit ihm sprechen müsse, ansonsten aber kein Wort mehr gesagt. Tyler schlug vor, dass sie sich am nächsten Morgen beim Frühstück unterhalten sollten, aber das war ihr zu spät. Sie wollte duschen, sich etwas Trockenes anziehen und dann mit ihm reden.
Tyler und Grant begleiteten sie zu einer Besucherkabine, und Tyler gab ihr einen Overall und Stiefel. Während sie sich frisch machte, holte Tyler seine Fliegerjacke und zog ein trockenes Hemd und Jeans an. Vor Dilaras Kabine traf er auf Grant und erzählte ihm, was Dilara auf dem Rettungsboot gesagt hatte.
»Arche Noah, soso«, sagte Grant. »Das ist ja etwas ganz Neues. Gibt es da Dinge in deiner Vergangenheit, die du mir verschwiegen hast? Hast du dich etwa, so ganz nebenbei, auch noch archäologisch betätigt?«
»Nicht wirklich, abgesehen von dem einen Mal, als ich in deinem Kühlschrank auf der Suche nach etwas Essbarem war.«
»Stimmt, das Moo-Sho Pork war wirklich ein echter Steinzeitfund. Oder war es General Tos Hühnchen?«
»Ich glaube eher, es war eine völlig neue biologische Lebensform. Es hat mich zu Tode erschreckt.«
»Wenn die Lady also mit dir nicht über Archäologie sprechen will, was will sie dann?«
»Ich will verdammt sein, wenn ich das wüsste. Sie kommt mir nicht vor, als wäre bei ihr eine Schraube locker, und ihre Referenzen sind einwandfrei.«
»Irgendetwas macht sie nervös. Zu mir hat sie keinen Pieps gesagt.«
»Am besten lässt du mich allein mit ihr reden. Ich erzähl dir dann, worum es geht.«
Grant und Tyler waren Freunde aus Armeetagen. Zu Tylers Zeit als Captain war Grant sein erster Sergeant gewesen, bis er zu den Rangers wechselte. Einige Jahre nachdem Tyler der Armee den Rücken gekehrt und seine Beraterfirma aufgebaut hatte, entschloss sich Grant, ebenfalls die Armee zu verlassen und sein Teilhaber zu werden. Sie arbeiteten nun schon seit zwei Jahren zusammen. Tyler hatte absolutes Vertrauen zu Grant, aber er spürte, dass Dilara nervös war, und zwar nicht nur wegen des Absturzes.
»Völlig in Ordnung«, erwiderte Grant. »Ich muss mich sowieso noch mit dem Ballastproblem befassen. Müsste es bis morgen gelöst haben. Das gibt euch Zeit zum Kennenlernen.«
Als Dilara aus ihrer Kabine kam, hatte sie ihr Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Ihre Wangen waren noch von Kälte und Wind gerötet, und doch ließ ihre ebenmäßige Bräune vermuten, dass sie sich häufig im Freien aufhielt.
Tyler sah, dass sie dunkle Ringe unter den Augen hatte und sehr erschöpft war, und hoffte, dass sie nicht vor seinen Augen zusammenklappen würde. Wasser zu treten und dabei einen Mann über Wasser zu halten, der zweimal so schwer war wie sie, war keine Kleinigkeit gewesen.
Der Overall, den Tyler für sie besorgt hatte, passte ihr in der Größe – sie war etwa einen Meter siebenundsiebzig groß -, nur war er ihr viel zu weit. Ihr Rettungsanzug war so dick gewesen, dass er nicht bemerkt hatte, wie schlank sie war.
»Wenn Sie wollen, besorge ich Ihnen gern einen besser sitzenden Overall.« Grant, der hinter Dilara stand, hob die Augenbrauen und nickte eifrig. Tyler legte den Kopf schräg, und Grant kapierte. Mit den Worten: »Ich muss mich noch um
ein paar Dinge kümmern. Es
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