Arche
alter Hase gewesen, kein grüner Junge.
»Mein Vater war Perfektionist. Deshalb stand für mich fest, dass der Fehler einem seiner Mitarbeiter unterlaufen sein musste.«
»Wissen Sie, an welchem Projekt Ihr Vater damals arbeitete?«
»Ja. An einem neuen Tunnel in der Kaskadenkette. Am Abend vorher ist er noch einmal hingefahren, um mit seinen Leuten Punkt für Punkt durchzugehen, an welchen Stellen Strengstoff eingesetzt werden sollte. Da passierte es … es war entsetzlich. Alle leitenden Ingenieure der Firma kamen um.«
»Wer leitet die Firma jetzt?«
»Niemand. Ich bin weder Ingenieurin noch kann ich eine Minute Zeit erübrigen. Kaufen wollte sie niemand, da es eine Beraterfirma war. Um nicht jahrelang mit den Angehörigen zu prozessieren, habe ich einen Vergleich mit ihnen geschlossen. Ich bin noch nicht dazu gekommen, mir zu überlegen, was ich mit dem Büro mache, aber ich hatte die endgültige Abwicklung für den nächsten Monat ins Auge gefasst.«
»Woran hat Ihr Vater vor dem Tunnel gearbeitet?«
»An irgendeinem gigantischen Regierungsprojekt. Höchste Geheimhaltungsstufe. Es dauerte drei Jahre. Er durfte mir kein Sterbenswörtchen verraten.« Julia Coleman sah sie an. »Wollen Sie andeuten, dass mein Vater ermordet wurde?«
»Das wäre möglich.«
»Warum? Wer hätte ein Interesse daran gehabt?«
»Das wollen wir feststellen, und dazu brauchen wir Ihre Hilfe.«
Julia lehnte sich mit leerem Blick zurück. Sie versuchte offensichtlich, den Gedanken zu verarbeiten, dass ihr Vater getötet worden sein könnte.
»Meine Mutter starb, als ich zwanzig war«, fuhr sie fort. »Außer meinem Vater hatte ich niemanden. Von mir aus können Sie das ganze Büro auf den Kopf stellen, wenn Sie nur herausfinden, wer ihn umgebracht hat.«
Sie entsorgten ihre Kaffeebecher und folgten Julia Coleman in den dritten Stock des Gebäudes. Sie schloss die Tür auf. Ein typisches Zellenbüro lag vor ihnen.
»Da hinten in der Ecke hat mein Vater gearbeitet.«
»Dürfen wir Ihren Server anstellen, damit meine Leute die Daten Ihrer Firma herunterladen können? Sie benötigen sie, um nach Hinweisen zu suchen«, sagte Tyler. »Ich weiß, dass Coleman Engineering wahrscheinlich Verträge abgeschlossen hat, die eine Datenweitergabe untersagen …«
»Ich betrachte Sie als meinen Subunternehmer. Wenn uns später jemand verklagen will, soll er sich mit den Anwälten der Firma herumschlagen.«
Tyler schaltete alle Computer ein und rief Aiden an, der ihm Schritt für Schritt erklärte, wie er einen Port zu dem Sicherheitssystem öffnete. Tyler bat ihn, nach Daten zu einem Projekt namens Oasis zu suchen, und Aiden machte sich sofort an die Arbeit. Tyler knöpfte sich John Colemans Schreibtisch und Ablage vor.
Wie erwartet, war der Großteil der Daten elektronisch abgelegt. Die meisten Ingenieurfirmen erstellten ihre Projektpläne auf dem Computer. Man verständigte sich mit dem Kunden oder untereinander per Telefon oder E-Mail. Trotzdem musste man manchmal Entwürfe ausdrucken, oder auch Grundrisse und Präsentationen. Es müsste auch Unterlagen aus Papier für Oasis geben, wenn Coleman wirklich daran gearbeitet hat, dachte Tyler, als er Colemans Akten, die fein säuberlich dem Datum nach sortiert waren, in Augenschein nahm.
Zwei Schränke waren so voll, dass kein Daumenbreit Platz war. Dilara sah jeden Ordner nach einem Hinweis auf »Oasis« durch. Auch das untere Fach des dritten Schrankes, der direkt neben Colemans Schreibtisch stand, war voll, das obere hingegen so gut wie leer. Über die letzten drei Jahre waren keinerlei Unterlagen vorhanden.
»Dr. Coleman, sind Akten aus dem Büro entfernt worden?«, fragte Tyler.
»Nicht, dass ich wüsste. Warum?«
»Es scheinen welche zu fehlen. Kennen Sie zufällig den Namen des Projekts, an dem Ihr Vater während der vergangenen drei Jahre gearbeitet hat?«
»Er durfte mir ja nichts sagen, aber einmal, als er sehr müde war, ist ihm der Name herausgerutscht. Er war richtig erschrocken und schärfte mir ein, niemandem auch nur ein Wort davon zu sagen. Das Projekt hieß ›Oasis‹.«
Tyler warf Dilara einen Blick zu. »Dr. Coleman, können Sie sich an irgendwelche Dinge im Zusammenhang mit diesem Projekt erinnern?«
»Ich weiß nur, dass mein Vater ständig auf die San-Juan-Inseln reiste. Und dass er sehr viel Geld verdient haben muss. Nach seinem Tod entdeckte ich nämlich dreißig Millionen auf der Bank. Dadurch konnte ich die Prozesse umgehen und das Büro erst einmal
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